30.03.2021
Das Erzgebirge ist einzigartig - nicht zuletzt wegen seiner Mundart. Und mancher Ort ist weithin bekannt. Manchmal auch nur unter anderem Namen. Kleine Rivalitäten zwischen den Einwohnern erzgebirgischer Dörfer hat es wohl schon immer gegeben - diesem Humor sind auch die Spitznamen für benachbarte Gemeinden entsprungen. Die Rede ist von Sandhusn, Pfaarsammellaasern, Quarkquetschern, Staarn, Hodrlumpen und Mondputzern. Welche Geschichte und welcher Ort steckt aber hinter diesen Spitznamen?
Mundartlicher Wegweiser von Dieter Lemke für den Raum Annaberg-Buchholz . / © Dieter Lemke
Neundorf. [Staarndorf]
Die Neundorfer mussten früher in die Kirche nach Schönbrunn gehen. Den weiten Weg legte man gemeinsam zurück, in bestimmter Anzugsordnung mit schwarzem Hut, Schoßrock und eng anliegenden schwarzen Hosen. Kam diese Gruppe im Kirchenstaat über die Falkenbacher Höhe und hoben sich als Silhouette gegen die helle Sonne ab, so sollen die Leute vor der Kirchentür gesagt haben: "S' sieht grod aus wie e Haardl Staarn. Aus diesem Grund findet sich der Star auch im Ortswappen wieder.
Geyer. [Sandhusn]
Als der Bergbau keine Einkommensquelle mehr darstellte, sollen die arbeitslosen geyrischen Väter mit ihren Kindern und Säcken voller Sand durch die Nachbarorte gezogen sein, um das feine Material zu verkaufen. Auch wenn die Geyrischen heute ohne den Sand auskommen, ihre Sandhosen tragen sie dem Namen nach immer noch.
Grumbach. [Mondputzer]
Dieser Spitzname stammt noch aus der Bergbauzeit. Im Frohnauer Hammer wurden Silbermünzen geprägt, welche von den Grumbacher Handwerkern poliert und veredelt wurden. Gold war das Zeichen für die Sonne und Silber das Zeichen für den Mond. So sind die Grumbacher zu ihrem Namen gekommen, der sich auch im Ortswappen wiederspiegelt. So lautet eine Anekdote, wie die Grumbacher zu 'Mondputzern' wurden. Natürlich hat Oberdorf-Unterdorfmäßig im Laufe der Zeit jeder etwas dazugedichtet und so entstehen mehrere Versionen - diese ist eine aus Mauersberger Sicht.
Tannenberg. [Hodrlumpen]
Eines Tages verstarb ein Landstreicher zwischen Schönfeld und Tannenberg. Daraufhin entbrannte ein Streit welcher Ort den Toten zu bestatten hatte. Dieser ging zu Lasten der Tannenberger aus, welche seitdem scherzhaft Hodrlumpen gerufen wurden.
Mildenau. [Pfaarsammllaaser]
Mildenau war einst das größte Bauerndorf des oberen Erzgebirges. Jeder Siedler bekam ein Stück Land und jeder benötigte Dünger um sein Feld zu bestellen. So gab es eine allgemeine Aufforderung „Pfaarsammln aufzulaasn“ (Pferdeäpfel einzusammeln) um der großen Nachfrage gerecht zu werden. Die Mildenauer waren ihrer Zeit voraus, denn Pferdemist gilt heute als hochwertiger Bio-Dünger und wird hochgehandelt.
Mauersberg. [Quarkquetscher]
Die Mauersberger Bauern lieferten Quark nach Annaberg zum Bau der St. Annenkirche als Zugabestoff zum Mörtel. So kam es, dass Mauersberg auch "Quarkstadt" genannt wurde und die Einwohner den Titel „Quarkquetscher“ bekamen.
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Streckewalde. [Pflaumendorf]
Als junger Ehemann, war es laut der Ortssatzung verpflichtend, mindestens 6 Obstbäume auf einem erworbenen Grundstück zu pflanzen. Deshalb erfasste eine Obstbaumzählung im Jahr 1900, 950 Pflaumenbäume im kleinen Streckewalde.
Königswalde. [Schladorf]
In Königswalde wurde schon immer gern und gut gefeiert. So auch im ehemaligen Gasthof zum Ratsgericht, später Volkshaus. Die Schachter aus der Wismutzeit hatten an Geld keine Not und so geriet auch die ein oder andere Feier außer Kontrolle. Aber wie immer ist am nächsten Tag wieder alles in bester Ordnung. Nur der Name „Schladorf“ ist den Königswaldern geblieben.
Zschorlau. [Mondputzer]
Noch eine Gemeinde „Mondputzer“ im Erzgebirge, mit ganz anderem Ursprung. Eine Eiskalte Nacht, ein Vollmond und Hochprozentiges spielen hier eine Rolle. In der Schänke herrschte reges Treiben und der Alkohol muss ebenfalls reichlich geflossen sein. Draußen jedoch fiel das Thermometer weit unter Null und der Mond zeigte sich am nächtlichen Himmel in voller Pracht. Auf dem Heimweg stutzte ein Trunkenbold über den Vollmond der ihn aus einer gefrorenen Pfütze her anblickte. Und schickte sich sogleich an, den spiegelnden Mond zu putzen, dieses Treiben blieb nicht unbemerkt. Und die Kunde vom nächtlichen Mondputzer verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Noch heute feiern die Zschorlauer ihren Spitznamen.
Carlsfeld. [De Sapper]
Vor langer Zeit lebten die Carlsfelder in sehr bescheidenen Verhältnissen. Teure Lederschuhe konnten sie sich nicht leisten. Ein praktischer Filzhausschuh, unter den Carlsfeldern als „Sapper“ bezeichnet, war das Standartschuhwerk für Groß und Klein. Besonders im Winter wurden die Sapper gern getragen, denn sie waren schön warm, die Filzsohle war rutschfest auf Schnee und Eis. Außerdem wurden zu dieser Zeit die Straßen im Winter nicht mit Salz gestreut. Der Winter in Carlsfeld war lang. Zog in den umliegenden Orten der Frühling ein, lag in Carlsfeld immer noch Schnee. Fuhren die Carlsfelder dann zum Einkaufen nach Eibenstock, dann trugen sie immer noch ihre Sapper. Die Eibenstöcker sagten dann: „De Sapper kumme“ . So bekamen die Carlsfelder ihren Spitznamen „de Carlsfelder Sapper“ und Carlsfeld wird heute noch als Sapperland bezeichnet.
Quelle: "Sperrguschn" von Karl-Heinz Melzer
Beitrag vom 04.12.2020. Mehrfach erweitert und aktualisiert, zuletzt am 30.03.2021