05.03.2024
Zwei Dinge, die zwei Weltenbummler wieder in die Heimat riefen
Schneeberg soll eine durch Digitalisierung intelligent vernetzte Stadt werden. Die Vision oder auch Mission von den Geschwistern Anett Jungnickel-Kraeh und Markus Jungnickel steht. Seit 2021 sind sie die neue Generation im Familienunternehmen Kabel- und Medienservice Jungnickel GmbH. Datenübertragung ist das Kerngeschäft der Firma seit der Gründung im Jahr 1990. Doch die Schwerpunkte haben sich vom einstigen Kabel-TV-Anbieter hin zum Komplettanbieter rund um Internet und Datentransfer verschoben. Und wie wichtig ein perfekt funktionierendes Breitbandsystem ist, wissen die neuen Chefs spätestens seit sie selbst als jahrelange Berufspendler in der ganzen Welt unterwegs waren.
Wie viele erfolgreiche Unternehmen des Erzgebirges gründete sich auch die Kabel- und Medienservice Jungnickel GmbH unmittelbar nach der Wende als Ein-Mann-Garagenfirma. Der Funk- und Fernsehmechaniker Frank Jungnickel gehörte zu den wenigen im Osten verbliebenen Fachleuten, mit der Qualifikation, Kabelnetze nach den bundesdeutschen technischen Vorschriften bauen zu dürfen. Er erhielt vom Bundesamt für Post und Telekommunikation eine Genehmigungsurkunde für die Modernisierung und den weiteren Betrieb des Schneeberger Kabelnetzes. Innerhalb von drei Jahren war ein 10-Mann-Handwerksbetrieb gewachsen, mit der Konsequenz, ins Schneeberger Gewerbegebiet – dem heutigen Firmensitz – zu ziehen. 2007 baut er die erste Glasfaserstrecke der Stadt aus, zehn Jahre später freuten sich die Schneeberger über kostenfreies Stadt-Wifi. „Er führte technisch alle kleinen Fernsehanbieter zusammen, zog neue Kabelstrecken. Die Neuerungen kamen Schlag auf Schlag“, erinnert sich Sohn Markus, der wie seine Schwester Anett im elterlichen Betrieb groß wurde.
Gemeinsamer Heimathafen: Das Musizieren im Landesbergmusikkorps
Mit nur einem reichlichen Jahr Altersunterschied war die Beziehung unter den Geschwistern immer eng. Wenn sich auch nach dem Abitur ihre Wege trennten, blieb neben der Familie eine gemeinsame Basis: die Leidenschaft fürs Musizieren. Von Kindesbeinen an sind sie dem Musikkorps der Bergstadt Schneeberg treu, bringen es gemeinsam auf sechs Instrumente, die sie beherrschen. Markus ging zum Studium der Medieninformatik und Informationstechnik nach Dresden. Nach dem ersten Abschluss stieg er parallel bereits ins Familienunternehmen ein und brachte das Wissen über die neuesten Technologien mit. Doch der Blick über den Tellerrand lockte. „Ich ging nach München in ein Unternehmen, das weltweit Projekte im Bereich Satelliten-TV umsetzt. Afrika, Südamerika, Costa Rica – das war sehr spannend“, erzählt der heutige technische Geschäftsführer. Markus pendelte – zwischen München, dem Ausland und dem Erzgebirge , denn auch hier wurde seine Expertise vom Vater beim weiteren Ausbau des Digital-Fernsehens im Erzgebirge geschätzt.
Das bekennende Ja: Wenn die Zeit dafür reif ist
Auch Anett zog es nach dem Abitur in die Welt. „Ich wollte Managerin werden, international unterwegs sein, die Leidenschaft vom Reisen leben.“ Während der Au Pair Zeit in den Staaten studierte sie nebenbei an der New York University. Wieder in Deutschland, ging sie zum BWL-Studium nach Nürnberg, absolvierte zwischendurch ein Jahr in England. Der Platz als Werksstudentin in einem Großkonzern in der Automobilindustrie war schließlich ihr erkämpfter Sechser im Lotto. „Ich war nach dem Studium dort unter anderem Marktbetreuer für Busse in Europa und Trucks in Afrika. Letztendlich habe ich in den Jahren fast jedes Land der Welt gesehen“, blickt die heutige Mutter zweier Kinder zurück. Von zu Hause klopfte immer mal wieder der Vater leise bei ihr an mit der Frage, ob sie denn Interesse an einer Nachfolge bei ihm hätte: „Prinzipiell sagte ich: Ja. Aber der Zeitpunkt war noch nicht da.“ Ihr Bruder bekannte sich 2016 zu dem Schritt, die Nachfolge anzugehen. Erste Nachfolgevorbereitungen wurden mit der Umfirmierung in die Kabel- & Medienservice Jungnickel GmbH & Co. KG getroffen, in der Markus Gesellschafter wurde. Er spürte immer öfter, dass er nur in München war, um zu arbeiten – nicht um zu leben: „Außerhalb der Arbeit ist es schwer, Anschluss zu finden.“
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Erkenntnis: Der Großkonzern wird zu eng
Auch seine 40jährige Schwester genoss das gute Gefühl immer mehr, nach Hause ins Erzgebirge zu kommen, mit liebgewonnenen Menschen auf kurzen und unkomplizierten Wegen neue Ideen umzusetzen und intensiv der Liebe zur Musik nachgehen zu können.
„In mir wurde die Frage lauter, ob die Arbeit in einem Großkonzern das Richtige ist, die Werte stimmen und ich als Managerin nur ein kleines Rädchen im Getriebe bleiben möchte.“
In einer lokalen Firma könne man viel mehr bewegen. „Mir wurde klar, dass meine Zukunft nicht irgendwo auf der Welt ist, das Pendeln nervig ist – ich aber auch den dennoch sehr spannenden Job im Großkonzern nicht ganz aufgeben möchte.“ Schließlich wurden mit Corona die Reisen weniger, Anett Jungnickel-Kraeh arbeitete häufiger im Homeoffice im Erzgebirge und übernahm parallel Aufgaben im Betrieb des Vaters. Ihre Ideallösung zeichnete sich damals ab: ins Unternehmen des Vaters einzusteigen und als Managerin mit flexiblen Arbeitszeiten dem alten Job aus der Ferne treu zu bleiben.
Kabel- & Medienservice Jungnickel
Prof.-Dr.-Konrad-Zuse-Straße 15
08289 Schneeberg
Klare Visionen für die Heimat
Seit März 2021 sind die Geschwister geschäftsführend im Unternehmen und verantwortlich für acht Mitarbeiter. Ihre Visionen für das Unternehmen sind klar: Sie wollen den Fortschritt leben, immer mit den neuen Trends am Markt gehen oder gar Vorreiter im Erzgebirge sein. Weil beide selbst nach wie vor für ihre Arbeitgeber in Stuttgart und München als Zweitjob im Homeoffice arbeiten, wissen sie um die Notwendigkeit eines perfekten Breitbandnetzes für die Region. „Damit Leute herziehen, braucht es ein gutes Netz für Job und Freizeit“, unterstreicht der 39jährige Markus Jungnickel. Inzwischen ist die Infrastruktur in und um Schneeberg komplett fertig und die Stadt optimal digital vernetzt. „Jede Wohnung in Schneeberg soll künftig Glasfaserkabel haben. Wir wollen Standards in der Region setzen.“ Das Unternehmen arbeitet komplett eigenwirtschaftlich – fördermittelfrei.
Fortschritt und Tradition perfekt vereint
Vieles wurde auch im Unternehmen modernisiert. Der Schreibtisch, dem sie ihrem Vater bei der Unternehmensübergabe angeboten haben, bleibt meistens leer. Er lässt sie machen, und unterstützt den Prozess der Veränderungen. „Auch bei uns ging das nicht reibungslos“, macht Markus Jungnickel anderen Mut, „Es gab generationsbedingte Diskussionspunkte und wir waren nicht immer einer Meinung. Ich spielte mit dem Gedanken beruflich neue Wege einzuschlagen, bis sich meine Schwester mit der Zusage ins Unternehmen einzusteigen meldete. Und da spürte unser Vater: Das Duo ist so perfekt und er bereitete die Übergabe der Firma vor.“ Für die acht Mitarbeiter wurden neue Arbeitsmodelle mit mehr Flexibilität eingeführt. „Wir versuchen den Mitarbeitern zu geben, was sie brauchen von Weiterbildungen bis hin zu einer attraktiven Gehaltsstruktur“, geben sie Beispiele für Dinge, die sie in der Firmenstruktur angepackt haben. Ihre internationalen Erfahrungen wollen sie einbringen– aber eben in familiärer Atmosphäre, die viele kleine Unternehmen in der Region Erzgebirge eint.
„Wir leben jetzt unseren Traum. Tagsüber fordern uns fortschrittliche Themen – abends sind wir häufig bergmännisch unterwegs und proben im Orchester. Das ist perfekt.“