Die Geschichte des Erzgebirges
Wenngleich es schon vorher einzelne Niederlassungen in der Erzgebirgsregion gab, bevölkerten erst mit den reichen Silbererzfunden im 12. Jahrhundert immer mehr Siedler das Gebiet. Der bis dahin als „Miriquidi“ benannte „Dunkel- bzw. Finsterwald“ bekam seinen heutigen Namen „Erzgebirge“. Von den über- und untertägigen Bergbauanlagen gingen bereits damals technologische und wissenschaftliche Errungenschaften in die ganze Welt hinaus. Der Bergbau -Boom neigte sich jedoch im 17. Jahrhundert zum Ende und die Menschen wandten sich anderen Erwerbsmöglichkeiten wie der Spitzenklöppelei, dem Posamentieren oder der Holzschnitzerei zu.
Die daraus entstandenen Traditionen, die handwerklichen Fähigkeiten, der Ideenreichtum, aber auch das Know-how aus der Bergbau-Folgeindustrie prägen die Region bis heute. So war und ist „Gedacht. Gemacht.“ das Motto der Erzgebirger. Die Menschen haben über Jahrhunderte ihre Kraft aus dem Bergbau entwickelt und gelernt, trotz knapper Mitteln flexible Lösungen für Probleme zu finden: Aus der Region kamen Anfang des 20. Jahrhunderts die ersten serienmäßig gefertigten Metallkarosserien für Pkw. Auch Maschinen zur Konservendosenherstellung, Teile für das größte Passagierflugzeug der Welt, die nachhaltige Forstwirtschaft, der FCKW-freie Kühlschrank oder einer der europäischen Marktführer zur Leiterplattenproduktion haben im Erzgebirge ihren Ursprung. Innovation hat hier Tradition.
Die Entstehung des Erzgebirges
Für die Entstehung der heutigen Mittelgebirgslandschaft und die typischen Bergketten entlang der deutsch-tschechischen Grenze sind vorwiegend zwei geologische Prozesse verantwortlich. Dabei reicht die Entstehungsgeschichte der ersten Gebirgsbildung bis in den Karbon (vor 350 bis 250 Millionen Jahren) im Erdzeitalter des Jungpaläozoikum zurück: Zu dieser Zeit wurden die Gesteine des Erzgebirges verfaltet und dutzende Kilometer der Erdkruste schoben sich auf nur wenige Kilometer zusammen. Es entstand das variszische Gebirge, in dem Gneise, Glimmerschiefer oder Phyllite lagerten. In diese aufgestapelte Gebirgsdecke drang durch vulkanische Vorgänge Magma aus dem Erdinneren ein – so entstanden Granite und Rhyolite, die heute noch in ganz Sachsen zu finden sind. In jener Zeit liegen zudem die Ursprünge der Erzlagerstätten. In den folgenden Jahrmillionen wurde das variszische Gebirge zunehmend durch Erosion, also physikalische und chemische Verwitterungsprozesse, eingeebnet.
Vor 80 bis etwa 15 Millionen Jahren fand die zweite Gebirgsbildung statt. Afrika verschob kleinere Mikroplatten gegen Europa. Infolgedessen erfuhr der Nordrand der böhmischen Masse mehrere Einengungs- und Dehnungsphasen. Die europäische Kruste zerbrach und bildete unter anderem Pultschollen: Das Erzgebirge wurde dabei nach Norden angekippt und der Egergraben eingesenkt. Die typische Pultschollenform kennzeichnet das Erzgebirge noch heute, mit einem sanften Nord-Süd-Anstieg und einem steilen Südabfall in Richtung Egergraben.
Mit dem späteren Zerbrechen der mitteleuropäischen Kruste konnte Magma emporsteigen, das heute noch als Basalt, z. B. an den Basaltsäulen am Scheibenberg sichtbar ist.
Im Laufe der Zeit setzte wieder Erosion ein: Die Hochflächen wurden stark abgetragen, die Täler allerdings nur geringfügig, da hier sehr witterungsbeständige Basalte lagerten. Aus Tälern wurden Berge – z. B. der Pöhlberg oder der Bärenstein – und aus Bergen Täler.
Der Bergbau im Erzgebirge
Als im Jahr 1168 die ersten Silbererze in der Umgebung von Christiansdorf, dem heutigen Freiberg, gefunden wurden, folgten dem „ersten Berggeschrey“ zahlreiche Bergleute, Händler, Köhler und Abenteurer, zumeist aus dem Main-Frankenraum. Das Erzgebirge entwickelte sich schnell zu einem bedeutenden Erzlieferanten, der Bergbau boomte.
Nach kleineren Zinn-, Eisenerz-, und Kupferfunden im 13. und 14. Jahrhundert kam es am 27.10.1491 zu einer für das weitere Schicksal der Region bedeutenden Entdeckung. Der Bergmann Kaspar Nitzel aus Frohnau entdeckte einen ergiebigen Silbererzgang am Schreckenberg. Das „große Berggeschrey“ im oberen Erzgebirgsraum war der Beginn einer regen bergbaulichen Tätigkeit. In seiner Folge gründeten sich 1496 die „Neustadt am Schreckenberg“ (das spätere Annaberg), die Bergstädte Buchholz (1501), Scheibenberg (1522) und Oberwiesenthal (1527).
Im Laufe der Jahrhunderte erfasste der Bergbau die gesamte Region und führte zur Gründung zahlreicher Bergstädte und -siedlungen auf sächsischer und böhmischer Seite des Erzgebirges. Gleichzeitig setzte eine Industrialisierung ein, wie sie nur selten in Gebirgsregionen zu finden ist. Der Abbau von Silber und Zinn, aber auch von Arsen, Blei, Eisen, Kobalt, Nickel, Uran, Wismut, Wolfram und Zink gehörte lange zu den wichtigsten Erwerbszweigen der Erzgebirger. Bald schufen bedeutende Handelsstraßen wirtschaftliche Verbindungen zwischen Annaberg, Dresden und Böhmen. Mitte des 16. Jahrhunderts avancierten Annaberg und Freiberg zu den größten Städten in Sachsen.
Nachdem der Zenit des Bergbaus im 17. Jahrhundert überschritten war, mussten sich die Menschen nach und nach andere Erwerbsmöglichkeiten suchen. Die Spitzenklöppelei, das Posamentieren und die Holzschnitzerei sollten fortan den Broterwerb sichern. Ab etwa 1770 erlebte die Bergbauproduktion einen erneuten Aufschwung. Der Abbau ärmerer Erze erreichte zwar nicht mehr die Ausbeute wie im 16. Jahrhundert. Aber die Gründung der Bergakademie in Freiberg im Jahr 1765 setzte grundlegende neue wissenschaftliche und technologische Impulse, die schließlich den Übergang in das Industriezeitalter ermöglichten.
Bis heute hat der Bergbau im Erzgebirge im Verlauf der Jahrhunderte wiederholt Auf- und Niedergänge gesehen. Mit der Schließung der Uranbergwerke und der letzten Zinnbergwerke um 1990/91 wurde der Bergbau weitgehend eingestellt. Weltweit steigende Rohstoffpreise führten in jüngster Zeit allerdings zu neuen Erkundungen von Lagerstätten; die Eröffnung neuer Bergwerke ist geplant.
Im Erzgebirge entwickelten sich besonders aus dem Bergbau und den damit verbundenen Verarbeitungsgewerken neue Gewerbe und Industrien, die bis heute die Wirtschaftsstruktur prägen. Die Region verfügt über eine der höchsten Industriedichten in Sachsen. Viele kleine und mittlere Unternehmen der Bergbaufolgeindustrien (Metall-, Elektro-, Automobil-, Kunststoff- und Papierbranche etc.) haben ihre Wurzeln weit in der Vergangenheit, andere haben sich nach 1990 im Erzgebirge angesiedelt. Das Erfolgsrezept, das seit den Anfängen des Bergbaus Bestand hat, ist eine Kombination aus hochqualifizierten, engagierten Mitarbeitern und innovativen Ideen.
Erzgebirgsgeschichte: FAQ
Wann und wie entstand das Erzgebirge?
Die Geschichte der ältesten Gesteine des Erzgebirges reicht etwa 570 Millionen Jahre zurück. Wesentlich geprägt wurde die Entstehung des Erzgebirges durch zwei Gebirgsbildungen: das variszische Gebirge (vor 350 bis 250 Millionen Jahren) und die Pultschollenbildung (vor 80 bis vor 15 Millionen Jahren).
siehe auch: „Die Entstehung des Erzgebirges“
Wer besiedelte das Erzgebirge?
Eigentlich sind alle Erzgebirger Zuwanderer: Die erste große Besiedlungswelle begann mit den Erzfunden im 12. Jahrhundert. Die damaligen Siedler stammten vorwiegend aus dem Main-Franken-Raum, was heute noch am Dialekt des Erzgebirges hörbar ist.
Was wurde im Erzgebirge abgebaut?
Zu den Rohstoffen, die im Erzgebirge abgebaut wurden, zählen Silber und Zinn, aber auch Arsen, Blei, Eisen, Kobalt, Nickel, Uran, Wismut, Wolfram und Zink.
Nach Silber war Zinn das zweitwichtigste Metall, das im Erzgebirge abgebaut und verarbeitet wurde und das sächsisch-böhmische Erzgebirges zum größten Zinnproduzenten weltweit machte.
Führend war das Erzgebirge im 17. und 18. Jahrhundert auch beim Abbau und der Verarbeitung von Kobalterzen zu Farbpigmenten. Sie wurden zur Färbung von Glas und als Glasur für Keramik oder Porzellan genutzt und erlangten im Zuge der Entdeckung des europäischen Hartporzellans u.a. auch für das Meißner Porzellan eine große Bedeutung. Venezianisches und böhmisches Glas, Delft-Keramik und Porzellan, ob chinesisch oder sächsisch - das Kobaltpigment aus Sachsen verbreitete sich in der ganzen Welt.
Im Erzgebirge gewonnenes Eisen deckte vom 14. bis zum 19. Jahrhundert die Nachfrage nach Eisenwerkzeugen, Geräten und Produkten, deren Nachfrage mit der rasanten Entwicklung des Silberbergbaus und den zahlreichen Stadtgründungen stark anstieg.
Uran wurde zum ersten Mal im Erzgebirge entdeckt, gewonnen und verarbeitet. Die Uranbergbaulandschaften bezeugen die herausragende Rolle des Erzgebirges beim Abbau von Uranerzen und der anschließenden vorbildhaften Rekultivierung dieser Landschaften nach der Stilllegung der Bergwerke. Das Uran aus dem Erzgebirge hatte weltpolitisch größte Bedeutung.
Darüber hinaus wird in der Region Europas größtes Lithiumvorkommen vermutet.
Wichtige vorkommende Gesteine sind zudem Glimmerschiefer, Phyllite und Granite, Basalt sowie Gneise und Quarzporphyr.
siehe auch: „Der Bergbau im Erzgebirge“
Die Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří ist UNESCO-Welterbe
Das Montanwesen war über Jahrhunderte der Motor für die Entwicklung des Erzgebirges beiderseits der deutsch-tschechischen Grenze. Über 800 Jahre Bergbau haben Land und Leute sowie die Kultur der Region nachhaltig geprägt und eine im internationalen Vergleich bedeutende montane Kulturlandschaft hervorgebracht.
Noch heute ist der Einfluss des Bergbaus in vielen Bereichen des täglichen Lebens zu spüren. Davon zeugen nicht nur eine Vielzahl erhaltener Montandenkmale und -landschaften, sondern auch die im Montanwesen wurzelnde lebendige Pflege von Kunsthandwerk , Brauchtum und Tradition.
Seit 1998 steht die Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří auf Vorschlag der sächsischen Landesregierung deshalb auf der Welterbe-Warteliste der deutschen UNESCO-Kommission. Im Frühjahr 2014 wurde der von der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik unterzeichnete Antrag an das Welterbezentrum der UNESCO in Paris übermittelt. Der Internationale Rat für Denkmalpflege (ICOMOS) regte eine Präzisierung der Unterlagen an, um die Chancen für eine erfolgreiche Einschreibung in die Welterbeliste zu verbessern. Folglich wurde der Antrag zurückgezogen, weiter qualifiziert und im Januar 2018 erneut bei der UNESCO eingereicht.
Nach intensiven Prüfungen des Internationalen Denkmalrates und der UNESCO wurde die Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří als grenzübergreifendes Projekt am 6. Juli 2019 in die Welterbeliste der UNSECO aufgenommen. Für die Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří liegt der außerordentlich universelle Wert allein in der Verbindung aller 22 Bestandteile begründet. Jeder Bestandteil bringt Spezifika ein - doch nur alle 22 Bestandteile sind nur gemeinsam ein Welterbe.