11.09.2013
Tosender Straßenverkehr, Baustellen vor der Haustür, Flugzeuge beim Starten oder Landen – die Menschen in Deutschland, vor allem in urbanen Räumen, sind tagtäglich großen Lärmbelastungen ausgesetzt.
Berechnungen des Umweltbundesamtes sind etwa 13 Millionen Deutsche mit Lärm in einem Ausmaß konfrontiert, dass ihre Gesundheit bereits gefährdet ist. Am Rand des Geyrischen Waldes im Erzgebirge wird derzeit ein Forschungsprojekt vorbereitet, dessen Ziel es ist, diesen nervenden und krankmachenden Alltagslärm in wohlklingende Geräusche zu transformieren.
Motoren brummen, Autos hupen, Bremsen quietschen – Alltagslärm macht die Menschen krank und wirkt sich zumeist negativ auf das Herz-Kreislauf-System aus. In Städten und Ballungszentren sind die Menschen davon häufiger betroffen als in ländlichen Regionen wie beispielsweise im Erzgebirge. Im beschaulichen Städtchen Geyer bei Annaberg-Buchholz arbeitet man bei der Synotec Psychoinformatik GmbH daran, mithilfe modernen Sound-Designs mehr Lebensqualität in urbanen Räumen zu erzeugen.
Synotec Psychoinformatik GmbH
Am Waldsportplatz 1
09468 Geyer/Erzgeb.
Fon : +49 37346 / 10-40
Email : blutner@synotec.de
Lärm wird zu Klang transformiert
„Früher war es das Ziel, Geräusche angenehmer zu machen, indem man sie einfach leiser gemacht hat“, erklärt Dr. Friedrich E. Blutner, Geschäftsführer von Synotec. „Heute kombiniert man unangenehme Geräusche einfach mit Klängen, die der Mensch als angenehm assoziiert und schafft damit mehr Qualität.“ Der Fachbegriff dafür lautet „Soundscape“ und bedeutet übersetzt so viel wie „Klanglandschaft“. Die negativen Geräusche in der Stadt werden so mit Hilfe von Klanglandschaften in positive Geräusche transformiert. „Autolärm im Straßenverkehr beispielsweise wird in Verbindung mit Wassergeplätscher viel angenehmer, weil der Mensch sich sofort am Meer wähnt und entspannter ist. Auch das Rauschen von Blättern macht Lärm angenehmer, weil das Blätterrauschen die unangenehmen Geräusche verdrängt und man dies mit Wald oder Wandern verbindet“, erklärt der Sounddesigner.
Umsetzung in fünf bis zehn Jahren
In der Praxis müssen diese Klanglandschaften nun geschaffen werden. Und dieser Prozess ist nach Aussagen von Dr. Blutner sehr intensiv. „Es ist ein riesiger Aufwand, angemessene Wege zu finden, solche Klanglandschaften zu kreieren“, gibt der Sound-Designer seine Erfahrungen weiter. „Wenn man zu einem guten Ergebnis gekommen ist, dann ist alles ganz einfach, aber der Weg dahin ist sehr lang und schwierig.“ Ein gutes Ergebnis ist für Dr. Blutner beispielsweise das Schaffen eines intakten urbanen Raumes mit einer hohen Wohlfühlatmosphäre. Dazu zählen das Anlegen von Gewässern oder das Anlegen von Parks mit Bepflanzungen oder mit, wie der Experte sagt, Installationen. Angemessene Wege zu finden, heißt für den Sound-Designer vor allem: alles sollte ganz natürlich wachsen und vor allem nachhaltig sein. „Tue etwas Gutes für die Natur , dann fühlen sich beispielsweise auch Vögel wohl und lassen sich in diesen Lebensräumen nieder. Das macht gutes Sound-Design aus“, weiß der Synotec-Geschäftsführer zu berichten. Blutner, der an der TU Dresden habilitiert und in den 70er Jahren im Akustiklabor des Kombinates „Musikinstrumente und Kulturwaren“ gearbeitet hat, leitet aktuell die Vorphase eines Forschungsprojektes, dessen Sitz und Kompetenzen er dauerhaft im Erzgebirge etablieren will. „Das Know-How, das wir hier haben, muss auch in der Region bleiben“, so Blutner. Und die Datenbank an Geräuschen und Klängen, die Blutner im „Klanglabor“ von Synotec zur Verfügung steht, ist riesig. Nur so lassen sich die optimalen Klangverbindungen auch ermitteln, um ein möglichst angenehmes und harmonisches Geräusch zu schaffen.
Beginn vor über 20 Jahren
Friedrich Blutner sieht sich selbst als einen neugierigen Menschen. An die Anfänge vor über 20 Jahren kann er sich noch gut erinnern: „Als nach der Wiedervereinigung die Autofahrer aus dem Westen auf die holprigen Straßen der ehemaligen DDR kamen, wunderten sie sich, über die ungewohnten Fahrgeräusche ihrer Autos. Selbst die teuren Luxus-Schlitten klangen auf dem ungewohnten Untergrund wie billige Klapperkisten.“ Große Automobilhersteller wendeten sich an Synotec und ließen ermitteln, wie ein Fahrzeug mit Hilfe des Produktsounddesigns akustisch verbessert werden kann. Der Bereich Produktakustik ist auch mehr als 20 Jahre später eines der Standbeine des erzgebirgischen Unternehmens.
Produkt-Design von Lebensmitteln im Kommen
Viele Hersteller verschiedenster Konsumprodukte haben das Erzgebirge beziehungsweise die Synotec Psychoinformatik GmbH auf dem Zettel. Nach den Automobilunternehmen kamen die Hersteller so genannter weißer Ware nach Geyer. Waschmaschinen, Kühlschränke oder Trockner verursachten in Wohnungen allenfalls Lärm und negative Geräusche, so dass dafür die richtigen Funktionsklänge entwickelt wurden und die gute Produktqualität hörbar wurde. Für Dunstabzugshauben, Spülmaschinen und Staubsauger gilt heute das Gleiche. In den letzten Jahren mehr und mehr im Kommen: das Produkt-Design von Lebensmitteln. Hier machen sich die Sound-Designer die multisensuelle Wahrnehmung des Menschen zu Nutze. „Natürlich soll ein Wiener Würstchen zuerst gut schmecken und nicht in erster Linie gut klingen. Aber oft entsteht der gute Geschmack ja erst über die unterschwellige Wirkung des Sounds, der über die Knochenschallleitung direkt ins Innenohr gelangt. Geschmack ist immer der Gesamteindruck aller Sinne und das Ohr ist oft der Dirigent im Orchester der Sinne.“ Übersetzt heißt dies, dass auch das Knacken beim Abbeißen eines Kekses, das Öffnen einer Getränkedose, das Aufreißen einer Verpackung oder das Ausgießen von Bier in ein Glas über das Unterbewusstsein erheblichen Einfluss auf das Geschmacksempfinden des Konsumenten haben können.
Erzgebirge als Paradies der Stille
Mit ausschlaggebend für die Arbeit der Synotec GmbH und Dr. Blutner ist auch die Lage des Firmensitzes in Geyer. „Viele Leute haben mich in der Vergangenheit gefragt, warum wir hier am Rande des Geyrischen Waldes unser Klanglabor haben“, blickt der Geschäftsführer zurück. Aber genau dies inspiriert Dr. Blutner und sein Team enorm. Das Erzgebirge ist ein Paradies der Stille und der erholsamen Klangvielfalt oder, wie Friedrich Blutner mit einem Augenzwinkern abschließend sagt: „Der leiseste Ort Deutschlands“.