25.04.2023
Wie 98 Mitarbeiter, ein eigener Reiterhof und Zeit für Familie in einen 24-h-Tag passen.
Reitsport allein ist eine zeitaufwendige Aufgabe. Wenn dazu noch der Vorstand für eine Aktiengesellschaft mit 98 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern steht, kommt die Frage auf, wie passt das alles in einen 24-Stunden-Tag? Leidenschaft, Empathie und sensorisches Feingefühl sind für Katja Hillenbrand , Vorstandsvorsitzende der MICAS AG, die Schlüsselworte. Diese Eigenschaften lassen sich nicht erlernen, sondern nur leben. Katja Hillenbrand zeichnen sie aus. Sieht sie ein Problem, löst sie es – mit Fingerspitzengefühl und viel Energie. Sie gestaltet das Leben zahlreicher Erzgebirger so einfacher und führt überdies erfolgreich ein Unternehmen.
Spätsommertag, 10:00 Uhr. Redaktionstermin bei der MICAS AG in Oelsnitz – einem preisgekrönten, globalen und innovativen Unternehmen, das sich mit Sensorik beschäftigt. Ich bin einige Minuten früher da, schaue mich um. Ein LKW rangiert auf dem Firmengelände, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hört man durch das geöffnete Tor lachen. Ich schmunzle und mache mich auf den Weg in die Vorstandsetage zu Katja Hillenbrand. Ich bin neugierig auf die Frau, die zahlreiche Unternehmenspreise gewonnen hat. Dann steht sie vor mir mit einem offenen herzlichen Lächeln und einem festen Händedruck. Am Ende des Tages steht ein Porträt über eine starke Frau, für die ihr Erfolg dazu dient, das Leben anderer besser zu machen. Sie selbst stellt sich dabei nicht in den Fokus und hätte jedes Recht dazu. Sie lebt für das, was sie mit vollem Herzen tut – auch wenn ihr gelegentlich Gegenwind entgegenweht.
Die MICAS AG ist mein Baby.
Diesen Satz spricht Katja Hillenbrand in der ersten Minute unseres Interviews aus und man spürt an ihrer Mimik, sie meint es genau so. Aus dieser Liebe zu ihrem Job zieht sie die Motivation, jeden Tag – seit dem Jahr 2000, seit der Gründung des Unternehmens.
Während ihres europaweiten Bachelor-Studiums in München, Montreux und Brüssel sieht sie ihre Zukunft nicht als Unternehmerin. Sie wollte in die USA. Geführt hat sie es nach Oelsnitz ins Erzgebirge – sie beschreibt es schmunzelnd selbst ein bisschen als Kulturschock mit Anfang 20. Hier übernahm Hillenbrand als 23-Jährige ein Unternehmen der Radartechnik, gründete 2000 ihr eigenes Unternehmen: die MICAS AG.
Rückblickend sagt sie selbst, es war eine spannende Reise bis hierher. Sie selbst hätte nicht gedacht, dass das Unternehmen einmal diese Größe erreicht, Preise gewinnt. Dabei kennt sie das Unternehmerleben. Sie ist damit groß geworden. Ihre Eltern waren selbstständig, ihre Nachmittage hat sie in der elterlichen Firma verbracht. Und so sind auch Katja Hillenbrands Kinder groß geworden. In ihrem Büro stehen heute noch immer die Kinderschreibtische. Ihre Augen strahlen, wenn sie von diesem Spagat berichtet zwischen Business und Familie. Heute sind ihre Kinder groß, eines hat Bestand: Katja Hillenbrand ist sich stets treu geblieben, authentisch. Das ist ihr Erfolgsrezept.
2014 wird Katja Hillenbrand Sachsens Unternehmerin des Jahres. In der Begründung der Jury heißt es auszugsweise: „Die Jury würdigt mit der Auszeichnung den großen unternehmerischen Erfolg und das dynamische und nachhaltige Wachstum der MICAS AG (…). Dabei zeigt das Unternehmen, dass es (…) auch über ein ausgeprägtes Gespür für die Bedürfnisse der Mitarbeiter verfügt.“
Für Katja Hillenbrand ist diese Preisverleihung nicht die erste, aber eine der emotionalsten Momente ihrer Unternehmensgeschichte. Erwartet habe sie nichts, für sie war die Nominierung schon ein Highlight. Auf der Fahrt habe ihr Lebensgefährte sie gefragt, ob sie denn eine Rede vorbereitet habe? Nein, warum? Wir sind doch nur Gäste, resümiert sie lächelnd. Als bekannt gegeben wurde, dass Katja Hillenbrand die Gewinnerin ist, seien ihr Tausende Emotionen durch den Kopf geschossen. Bei ihrer Dankesrede habe sie ihr Herz, ihre Dankbarkeit, ihren Stolz sprechen lassen – man spürt im Gespräch acht Jahre später noch immer die Endorphine, wenn Katja Hillenbrand diesen Abend in der Gläsernen Manufaktur in Dresden beschreibt. Heute schmückt „Barbie“, wie ihre Kinder die Trophäe liebevoll nennen, Katja Hillenbrands Büro. Ein Preis, den sie auch ihren Kindern, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ihrem Umfeld widmet, ohne deren Rückhalt dieser Erfolg nicht möglich wäre.
Einer der Gründe für den Unternehmerpreis war laut der Jury auch die unternehmenseigene Kindertagesstätte, die Katja Hillenbrand errichtet hat. Ändere, was dich stört, so lautet ihre Devise. Also errichtet sie einen eigenen Kindergarten für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch für Externe, mit Öffnungszeiten, die zum Leben passen.
Wir brauchen einen Kindergarten, in dem das Kind so lange gut betreut wird, wie es notwendig ist – ohne schlechtes Gewissen für die Eltern.
Der Weg dahin war steinig. Sie musste gegen bürokratische Mühlen kämpfen. Für Katja Hillenbrand zählt das Ergebnis – dieses ist ein voller Erfolg: Nach dem Kindergarten wurde der Hort für die Grundschüler initiiert. Die Erzieherinnen senden Ruhe aus – ohne hektisches Schauen auf die Uhr oder strengen Blick auf die Eltern, wenn sie abgehetzt in den Kindergarten kommen. Und dieses Gefühl tut Eltern und Kindern gut, egal, ob 16:00 Uhr oder 18:30 Uhr. Katja Hillenbrand sagt, sie bekomme so viel Dankbarkeit zurück für etwas, was für sie selbstverständlich ist. Und ihre Initiative hat auch Pilotprojektcharakter. Andere Kindergärten im Ort haben jetzt flexiblere Zeiten.
Es hat so viel Positives für so viele Menschen gebracht.
Glücklich zu machen, ist manchmal einfach. Dabei sorgen nicht nur die Armaturen für leuchtende (Kinder-)Augen, die bei MICAS designt und jetzt ins Programm aufgenommen wurden.
Auch beim Rundgang durch die Firma spürt man die Freude der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Arbeit, die positive Chemie zwischen Chefin und dem Team. Das freundliche Hallo, das Lächeln sind echt. Wie das Lachen, welches mir zum Beginn durch das offene Tor entgegenströmte. Ihren Ausgleich zum stressigen Unternehmeralltag findet Katja Hillenbrand auf dem eigenen Reiterhof und den Turnieren, zu denen sie ihre Kinder am Wochenende begleitet. Es erdet sie, wie sie selbst sagt. Und man spürt es, wenn man sie mit den Pferden beobachtet.
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Die Liebe zu Pferden kam mit den Kindern. Für mich waren bis dahin Pferde groß und gefährlich – heute haben wir einen Reiterhof.
Katja Hillenbrands Kinder haben im Alter von 4 und 6 während eines Urlaubs die Liebe zu Pferden entdeckt – zu Hause reiten , stellte sich aufgrund der in Deutschland geltenden Altersgrenze auf Reiterhöfen schwierig dar. Aber dort, wo andere resignieren, fängt Katja Hillenbrand erst an. Dabei waren für sie Pferde bis dahin keine Option. Sowohl fehlende Zeit als auch der Respekt vor den großen Tieren waren einfach zu stark. Selbst ein Pony zu führen, kam für Katja Hillenbrand nicht infrage. Die Bilder heute sprechen eine andere Sprache – sie ist mit ihren Pferden eine Einheit.
Begonnen hat dann alles mit einer Reitbeteiligung ihrer Kinder, das erste eigene Araber-Fohlen, der erste Haflinger, das erste Turnierpferd wurden gekauft – heute stehen auf dem eigenen Reiterhof im Ortsteil Ursprung 19 Pferde im Stall. Geplant war ein Neubau einer Reitanlage in Oelsnitz – zum Nutzen aller. Gegenwind aus dem Stadtrat ließ dieses Vorhaben leider nicht umsetzen. Also Plan B. Aufgeben ist für Katja Hillenbrand keine Option, Ausruhen auf dem Ist-Zustand erst recht nicht. Vor zwei Jahren bestand sie ihren LKW-Führerschein, um mit den Pferden zu den Turnieren fahren zu können. Katja- Hillenbrand-mäßig eben, ein Mensch mit großem Herz und noch mehr Power – gegen alle Widerstände.
Text: Doreen Ludwig
Fotos: Georg Ulrich Dostmann