27.08.2022
Kein Grün vor der Haustür, Anonymität, Heimweh. Die Großstadt tat Kristin Kocksch nicht gut. Heute leitet sie das Welcome Center Erzgebirge – ein Service fürs perfekte Ankommen.
Wer sich für die oder eine neue Heimat entscheidet, macht dies oft aus persönlichen Gründen – etwa weil die Großstadt zu anonym war oder die Familie fehlte. Wenn die Jobchancen gegeben sind, können die Vorteile schnell überwiegen. So ging es auch Kristin Kocksch, die nach ein paar Jahren genug von Berlin hatte und wieder zurück in ihre Heimat zog. Heute ist sie Leiterin des Welcome Centers Erzgebirge .
Die Großstadt tat mir nicht gut.
Zuerst studierte sie Gesundheitsmanagement und schloss das Studium mit dem Bachelor ab. Dann machte sie noch einen Master in Gesundheitswissenschaften. „Anschließend ging ich an die Harzkliniken und organisierte dort Weiterbildungsangebote.“ Danach wagte sie den Schritt vom ländlichen Raum in die Hauptstadt: „Ich bekam eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Robert-Koch-Institut und war mit dem Thema Impfprävention befasst.“ Nach fünf Jahren weit weg von der Heimat entschied sich die junge Frau zur Rückkehr: „Ich merkte, dass mir in Berlin meine Familie und mein Freundeskreis fehlten. Zwar hatte ich Spaß an der Arbeit, aber ich musste feststellen, dass mir die Großstadt nicht guttat.“ Außerdem vermisste sie die Natur . „Es gab kein Grün vor der Haustür, ich musste erst in die S-Bahn steigen, um dorthin zu kommen.“ Heimweh überkam sie gerade in der Advents- und Weihnachtszeit . „Im Erzgebirge ist es üblich, Schwibbögen ins Fenster zu stellen. Auch das fehlte mir.“
Gerade die Anonymität belastete sie. Deshalb suchte Kristin Kocksch gezielt nach Stellenangeboten im Erzgebirge. „Ich fand eine Stelle bei der Wirtschaftsförderung Erzgebirge im Bereich Berufsorientierung von Jugendlichen.“ Dann ergab sich für sie die Möglichkeit, als Leiterin ins Welcome Center zu wechseln. „Die Aufgabe macht mir großen Spaß, denn sie ist sehr abwechslungsreich, und ich kann mit kleinen Tipps helfen.“ Dabei empfindet sie es gar nicht als Nachteil, dass sie als Gesundheitswissenschaftlerin jetzt in einem ganz anderen Bereich tätig ist – ganz im Gegenteil: „Das für meine Arbeit notwendige Wissen und Netzwerk kann man nicht theoretisch erlernen, sondern nur Stück für Stück aufbauen. Dabei helfen mir die innerhalb des Studiums vermittelte analytische und strukturierte Arbeitsweise.“
Am Erzgebirge interessiert? ❤lich willkommen!
Das Welcome Center Erzgebirge
„Wir sind Ansprechpartner für Rückkehrer*innen und Zugezogene,“ fasst Kristin Kocksch die Aufgaben des Welcome Centers zusammen. „Wir unterstützen Rückkehrer*innen und Zuwanderer*innen aus dem In- und Ausland beim Ankommen und Einleben im Erzgebirge – ganz egal, ob aus Deutschland, der EU oder Drittstaaten“, erklärt sie weiter. „Dabei arbeiten wir mit unterschiedlichen regionalen Partnern aus der öffentlichen Verwaltung und regionalen Verbänden zusammen.“
Zu diesen Partnern gehören zum Beispiel die Agentur für Arbeit Annaberg-Buchholz , die Industrie - und Handelskammer Chemnitz, die Regionalkammer Erzgebirge sowie die Städte und Gemeinden des Erzgebirgskreises. „Wir beraten zu formalen und rechtlichen Angelegenheiten, unterstützen aber auch bei der Suche nach einer passenden Wohnung und einer Kinderbetreuung. Wir liefern regionale Kompetenz und vor allem individuell zugeschnittene Informationen zum Start in der Region“, sagt Kocksch, und das kostenfrei.
Die Anfragen, die Kristin Kocksch bekommt, könnten unterschiedlicher nicht sein: Mal sucht jemand ein Baugrundstück, ein anderes Mal geht es um die Anerkennung eines ausländischen Studienabschlusses oder um die Suche nach einer passenden Schule. Das Besondere eines Welcome Centers ist, dass sich die Ortswechsler*innen mit all ihren Fragen an diese Servicestelle wenden können. Sie müssen also nicht Kontakt mit den verschiedenen Institutionen aufnehmen, sondern bekommen alles aus einer Hand und werden bei Bedarf an die richtigen Ansprechpartner*innen weitervermittelt. „Wir haben ein großes Netzwerk und stellen den direkten Kontakt zu den passenden regionalen Ansprechpartner*innen her.“
Endlich angekommen.
Natürlich ist das Welcome Center auch bei der Jobsuche behilflich. Das geschieht nicht nur in persönlichen Beratungen und Kontaktvermittlungen, sondern auch über die Veranstaltung „Pendleraktionstag Erzgebirge“. „Dieses Event zur Fachkräftegewinnung hat sich in den vergangenen Jahren als regionaler Höhepunkt für Pendler*innen, Exil-Erzgebirger*innen und Fachkräfte etabliert“, berichtet Kocksch. Bewährt habe sich der Termin zwischen Weihnachten und dem Jahreswechsel. Denn Fachkräfte nützten diese Zeit oft für die Planung eines beruflichen Neuanfangs. Der Pendleraktionstag ist eine regionale Jobbörse, bei der sich Dutzende von Unternehmen aus dem Erzgebirge vorstellen und Interessierten Rede und Antwort stehen. Beim ersten digitalen Pendleraktionstag 2020 gab es außerdem in Vorträgen viele Tipps zur Rückkehr und Zuwanderung. Ganzjährig findet man zudem auf dem „Fachkräfteportal Erzgebirge“ offene Stellen. Aktuell sind es über 1.400 Ausschreibungen. „Die Jobchancen in unserer Region sind wirklich gut. Wir haben durch den demografischen Wandel und die wirtschaftliche Entwicklung des Erzgebirges einen steigenden Fachkräftebedarf“, wirbt Kocksch für ihre Region.
Das Thema Freizeit hat das Welcome Center ebenfalls im Blick: „Wir stehen mit Bildungseinrichtungen, Vereinen, Kirchen und Initiativen in der Region in Verbindung und können Kontakte vermitteln.“ Ganz nach den persönlichen Bedürfnissen. Andere Welcome Center bieten ähnliche Services und Events an, wie zum Beispiel regelmäßige Stammtische für Rückkehrer*innen und Zugezogene. Im Erzgebirge vernetzen sich diese Rückkehrer*innen etwa in einer eigenen Facebook-Gruppe, und das Welcome Center Erzgebirge organisiert zudem regelmäßige Treffen.
Dieser Beitrag erschien auf Basis des Text von Anja Schreiber im WILA-Bericht vom 3.10.2021