05.09.2023
Das Musikfest Erzgebirge zieht Tausende in seinen Bann.
Wenn internationale Spitzenklasse der Musik auf feinste Architektur trifft.
Das Erzgebirge singt und klingt. Doch nicht nur in den Familien zur Weihnachtszeit oder bei Bergmannsaufzügen tönt es vom Berg und im Tal. Alle zwei Jahre lockt ein Musikfestival der internationalen Spitzenklasse Tausende Besucherinnen und Besucher in Kirchen, Konzerthallen und andere Spielorte. Künstler und Ensembles von Weltruhm geben sich hier sprichwörtlich die Klinke in die Hand.
Intendant Professor Hans-Christoph Rademann und Ben Uhle, Geschäftsführer der Musikfest Erzgebirge gemeinnützige UG, haben das Musikfest Erzgebirge aus der Taufe gehoben und sorgen nun alle zwei Jahre dafür, dass Sachsens musikalischer Glanz im ganzen Erzgebirge und weit darüber hinaus erstrahlt. „Nachdem das Fest alter Musik im Erzgebirge 2008 zum letzten Mal stattfand, wollten wir unbedingt etwas Neues initiieren“, erinnert sich Ben Uhle. Und so entsteht die Idee eines weltoffenen Musikfestivals, das mit großer Genrevielfalt das gesamte Erzgebirge in die Veranstaltungen einbezieht.
Hans-Christoph Rademann, aufgewachsen in Schwarzenberg und Botschafter des Erzgebirges sowie Ben Uhle führen Gespräche, überzeugen Multiplikatoren, nutzen ihre hervorragenden Kontakte in die internationale Musikerszene. Das Eröffnungskonzert im September 2010 mit dem internationalen Spitzenensemble Collegium Vocale Gent und seinem Leiter Philippe Herreweghe beschert den Machern einen furiosen Erfolg. In der ausverkauften St. Georgen-Kirche in Schwarzenberg erklingt die h-Moll-Messe von Johann Sebastian Bach und setzt Maßstäbe, die das Musikfest Erzgebirge seitdem immer wieder bestätigt und selbst übertrifft. Alle zwei Jahre wird das Erzgebirge an zehn Tagen im Spätsommer zum großen Konzertsaal: 15 Konzerte an 15 Orten. „Immer dabei sind die großen Bergstädte mit ihren fantastischen Sakralbauten“, beschreibt Ben Uhle das Konzept. „Inzwischen kommen Spielstätten schon selbst auf uns zu und wollen am Festival teilhaben. Wir haben die große Aufgabe und die wunderbare Chance, mit der Musik das Gemeinschaftsgefühl weiter zu stärken. Das Erzgebirge zeichnet sich gegenüber anderen Regionen durch tief in die Gemeinden und Familien hineinwurzelnde musikalische Tradition aus.“ Damit diese Basis erhalten bleibt, will das Musikfest wie bei einer Pyramide auch deren Spitze zeigen.
Die ausgewählten Künstler genießen internationale Reputation. „Man muss nicht aus dem Erzgebirge wegfahren, um die besten Musiker der Welt zu erleben“, sagt Ben Uhle nicht ohne Stolz. „Bei der Programmgestaltung setzen wir ganz bewusst auf die Beziehung von Raum, Kunstschaffenden und Programm. Die Vielfalt von Bergkirche bis Schacht eröffnet faszinierende Konzerterlebnisse.“ Den Schwerpunkt des Musikfestes Erzgebirge bilden Werke des 16.–18. Jahrhunderts. Aber auch Musik aus der Romantik und anderen Epochen erklingt. Ein besonderer Abend ist jungen Ensembles vorbehalten, die ihre neue Sicht auf alte Musik präsentieren.
Man muss nicht aus dem Erzgebirge wegfahren, um die besten Musiker der Welt zu erleben
Das Publikum spendet dem Festival viel Applaus. Rund 5.500 Gäste kommen 2022 zu den Veranstaltungen, 85 Prozent davon aus dem Erzgebirge. Die Ticketpreise werden ganz bewusst moderat gehalten. Besondere Schülerkarten senken zum Beispiel die Schwelle für einen Konzertbesuch mit der ganzen Familie. Hinter all dem steckt jede Menge Arbeit. Der personelle Kern um Ben Uhle wächst in den Festivalzeiten auf ein Team aus 14 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und weiteren externen Helferinnen und Helfern. Während des Festivals zieht dann der Tross von Ort zu Ort und betreut die Gäste, die Künstlerinnen und Künstler, die Presseleute. „Ein Festival dieser Größenordnung und mit diesem Qualitätsanspruch kommt trotz des enormen Zuspruchs durch das Publikum ohne Fördermittel und Sponsorengelder nicht aus“, erklärt Ben Uhle. „In Sachsen gibt es eine einzigartige Struktur zur Unterstützung von Kunst und Kultur. Im Zentrum stehen die sogenannten Kulturräume. Und so ist der Kulturraum Erzgebirge-Mittelsachsen für das Musikfest der wichtigste Partner.“ Eine große Schar weiterer Förderer sorgt für den finanziellen Bestand des Festivals: das Staatsministerium, Stiftungen, Kommunen und viele Unternehmen. Inzwischen ist das Musikfest Erzgebirge selbst zum wirtschaftlichen Faktor geworden. „Immerhin bringen wir circa 1.000 Übernachtungen pro Festival in die Region“, berichtet Ben Uhle. „Und das betrifft nur die beteiligten Künstler und das Personal. Die auswärtigen Konzertgäste kommen da ja noch hinzu.“
Kultur im Erzgebirge
Die Partnerschaft zur Kampagne „So geht sächsisch“ ist Ben Uhle besonders wichtig. „Es geht darum, Sachsen ins positive Licht zu setzen. Nach außen und auch nach innen“, macht der Kulturmanager deutlich. „Den Heimatbegriff wollen wir nicht Leuten mit Fackeln überlassen. Für uns ist Heimat auch ein einladender Ort für weltoffene Musik.“ Wie muss einer gestrickt sein, der ein solches Festival organisiert? „Das ist ganz einfach“, antwortet lächelnd Geschäftsführer Uhle. „Man muss die Musik lieben, das Publikum und das Erzgebirge. Und man braucht Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die mit dem ganzen Herzen dabei sind. Naja, und Stress darf einem auch nichts ausmachen.
Die Liebe zur Musik begleitet Ben Uhle seit Kindheitstagen. Als Sohn eines Pfarrers hat er schon früh Kontakt zu Kirchenmusik und Orgelklängen. Da ist es nur folgerichtig, dass der stimmbegabte Knabe zum Dresdner Kreuzchor findet – eine prägende Zeit. Später studiert er Kulturmanagement an der FH Görlitz und absolviert ein Aufbaustudium an der TU Dresden. Ben Uhle kennt also beide Perspektiven: die des Veranstalters und die des Künstlers. Über das Programm des nächsten Musikfestes verrät Ben Uhle nicht allzu viel. Die Latte des musikalischen Anspruches liegt jedenfalls wieder ganz oben. Künftig soll auch das junge Publikum noch stärker für das Festival begeistert werden. „Wir planen für 2024 ein großes Jugendprojekt. Schülerinnen und Schüler werden mit ihrem Tanz die Musik interpretieren. Das Erzgebirge wird begeistert sein“, schwärmt der Vater dreier Töchter.
„Hohe Kunst tief verwurzelt – diesem Sinnspruch fühlen wir uns verpflichtet. Ohne das Erzgebirge gäbe es ganz viele herausragende künstlerische Leistungen und Ensembles in Sachsen nicht.“
Text: Steffen Wollmerstädt
Fotos: Detlev Müller