Wie Unternehmensnachfolge langfristig gelingt

15.12.2023

„Ich wusste, worauf ich mich einlasse. Und dennoch hatte ich schlaflose Nächte“ sagt Willi Reißmann frei heraus. Im Januar 2021 trat der 39jährige in die Fußstapfen seines Vaters und dessen Studienfreundes und damit die offizielle Nachfolge als Geschäftsführer in der Formcad GmbH in Schlettau an. Vertraut ist ihm das Unternehmen, das Werkzeuge für die Automobilbranche konstruiert und fertigt, bereits von Kindesbeinen an. Denn die erste Fräsmaschine ratterte direkt unter seinem Kinderzimmer im Elternhaus.

Man könnte meinen, der Weg von Willi Reißmann war genauso vorprogrammiert wie die konstruierten Werkzeugteile, die heute die Werkzeughalle verlassen. War er aber nicht, denn einen Nachfolger in der eigenen Familie zu finden, scheint ideal – ist aber nicht selbstverständlich. Laut dem Institut für Mittelstandsforschung Bonn löst nur gut die Hälfte aller deutschen Familienunternehmen ihre Nachfolge familienintern. Schätzungen zufolge stehen jährlich 30.000 Firmen vor der Übergabe.

Willi Reißmann holte nach seiner Ausbildung zum Industriemechaniker bei der HOPPE AG in Crottendorf sein Abitur nach, bevor er ein Maschinenbau-Studium an der Hochschule Mittweida begann. Ferienarbeit bei Formcad in den Semesterferien brachte nicht nur ein bisschen Kleingeld, sondern vor allem Erfahrung und Einblick in die firmeninternen Abläufe. Dass er irgendwann einmal in das väterliche Unternehmen einsteigen würde, stand zu dem Zeitpunkt bereits für ihn fest. Ebenso wie der Wunsch, zunächst für etwa fünf Jahre aus der Region wegzugehen. Ein Angebot aus Stuttgart lag auf dem Tisch. Verlockend, mit gutem, fürs Erzgebirge utopischem Gehalt. „Geld ist nicht alles“, begründet Willi Reißmann den Entschluss zu bleiben. Und: „Eigentlich wollte ich doch nie weg. Und nur des Geldes wegen? Ich habe alle Freunde, die Familie hier. Mit meinen Kindergarten-Freunden spiele ich heute Tischtennis.“

So stieg er als Konstrukteur bei Formcad ein. Die Chefs übertrugen ihm ein paar Jahre später die Projektleitung. Das Unternehmen war inzwischen gewachsen – aus dem Keller des Familienhauses heraus ins Schlettauer Gewerbegebiet. Mit den Investitionen in neue Maschinen wuchs auch der Mitarbeiterstamm auf heute 16 Fachleute in Konstruktion und Fertigung. Unter ihnen sind auch die beiden „Alt-Geschäftsführer“.

„Sie stehen noch immer an meiner Seite. Wir arbeiten Hand in Hand“.

Das habe ihm den Übergang vom Angestellten zum Firmenchef erleichtert. Der Zeitpunkt der Übernahme mitten in der Pandemiezeit und folgender Kurzarbeit war alles andere als ideal. Dass Willi Reißmann bereits drei Jahre vorher freie Hand bekam, das Unternehmen nach seinen Vorstellungen gerade im Hinblick auf Digitalisierung mitzugestalten, machte manches leichter.

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Angebote zur Unternehmensnachfolge im Erzgebirge

Sein Vater Andreas Reißmann und dessen Studienfreund Matthias Dietrich gründeten 1996 das Unternehmen als Büro für Konstruktion und Programmierung, zwei Jahre später wurde die erste Fräsmaschine angeschafft. Es war eine Zeit, in welcher der Werkzeugbau im Erzgebirge boomte und Formcad in die Produktion von Prototypen und Serien startete. Heute kommen 80 Prozent der Kunden aus Sachsen, die meisten aus dem Erzgebirge. Sie schätzen die kurzen regionalen Wege und die Präzisionsarbeit des kleinen Unternehmens. Auf der Kundenliste stehen fast alle bekannten Automobilzulieferer der Region. Wobei Willi Reißmann nicht gerne von Kunden spricht, denn viel mehr seien sie Teil eines kooperierenden Netzwerkes, in einem Wechselspiel aus Geben und Nehmen.

„Man sollte nicht erst ein halbes Jahr vor der geplanten Nachfolgeregelung mit der Suche nach einem neuen Chef anfangen“, rät Reißmann junior. Und die beiden Firmengründer fügen hinzu: „Willi konnte sehr langfristig erlernen, was alles zu einer Firmenleitung dazugehört. Vor allem in finanziellen Fragen muss man schon fit sein.“ Denn zwischen Theorie und Praxis sei es schon ein großer Unterschied, um eine Firma erfolgreich zu leiten. „Obwohl ich nach all den Jahren Mitspracherecht im Unternehmen wusste, was mich erwartet, ist die konkrete Verantwortung dann doch noch mal etwas anderes.“ Warum zieht man sich eigentlich heutzutage überhaupt diesen Schuh an, so viel Verantwortung zu übernehmen?

„Ich möchte in meinem Leben einen Fußstapfen hinterlassen."

..."und das Unternehmen so familiär weiterführen wie meine Vorgänger. Wenn die Mitarbeiter sagen: Ich arbeite gern bei Formcad. – dann hat sich das gelohnt. Und außerdem bin ich stolz darauf, ein Teil des Automobilstandortes Erzgebirge zu sein.“ Und sollte Reißmann junior nach dem endgültigen Ausscheiden der Firmengründer in wenigen Jahren einen Ratschlag brauchen, weiß er, dass er sie jederzeit auf kurzem Weg um Rat bitten kann.

Formcad GmbH

Am Kirchsteig 15

Schlettau

www.formcad.de