21.01.2025
Für dieses erzgebirgische Unternehmen eine Vision mit Geduld und Weitblick
Das Ziel für Puls Vario steht, auch wenn nicht jeder Prozess von heute auf morgen funktioniert. Um die Produktion im Erzgebirge zu 100 Prozent energieautark zu betreiben sind einige Anstrengungen notwendig. Dabei spielen die eigenen Unternehmensentwicklungen eine große Rolle.
84 Einfamilienhäuser mit je einem Vierpersonenhaushalt könnte die noch recht neue Photovoltaikanlage der Puls Vario GmbH versorgen. Für das Unternehmen selbst ist der eigene Strom noch nicht ganz ausreichend: Aktuell kann man durchschnittlich 60 Prozent des eigenen Energiebedarfs pro Jahr decken. Perspektivisch möchte die Firma mit Sitz in Drebach autark funktionieren. Bis es so weit ist, brauche es nicht nur technische Lösungen, sondern auch wegweisende Entscheidungen der Politik, betont Geschäftsführer Robert Farnbacher.
Unabhängig von den Kosten: So groß wie möglich planen und einfach schnell losmachen
Mit Stromversorgung kennen sich die 110 Mitarbeitenden der Puls Vario GmbH aus. Das Unternehmen ist Teil der Puls-Gruppe mit weltweiten Standorten, deren Mutterfirma in München sitzt. Während der Konzern prinzipiell am Weltmarkt als Spezialist für DIN-Schienen-Stromversorgungen führend ist, fungiert der Standort im Erzgebirge als Maßschneiderei für kundenspezifische Lösungen.
PULS Vario GmbH
Venusberger Straße 44
09430 Drebach
Fon : +49 37341 4900 10
Email : office@pulsvario.com
Im Manufakturcharakter werden hier Stromversorgungen für hohe, sehr spezielle Anforderungen produziert. So wie sie beispielsweise im medizinischen Bereich für präzise und reinraumtaugliche Hochleistungsgeräte wie Computertomografen oder auch im Bergbau , bei der Bahn oder Intralogistik benötigt werden. So wuchs der Bedarf an Geräten aus Drebach enorm während der Corona-Pandemie, als große Internetversandhäuser ihre Rollbänder aufstocken mussten, um dem verstärkten Online-Konsum Herr zu werden.
Geduld und Weitblick sind zwei grundlegende Dinge, wenn Unternehmen das Thema alternative Energiesysteme angehen wollen. „Wir hatten uns bereits vor der Ukraine-Krise mit dem Thema Sonnenenergie beschäftigt. Als der Krieg begann, bekamen wir sofort von unserem Gesellschafter grünes Licht. Unabhängig von den Kosten: So groß wie möglich planen und einfach schnell losmachen“, erinnert sich Geschäftsführer Robert Farnbacher. Die schnelle Entscheidung war gut, denn die Nachfrage wuchs auf dem Markt rasant an.
BÜROKRATISCHE PROZESSE EINPLANEN
Von August bis Dezember 2022 wurde die Anlage auf dem Hallendach und einer grünen Freifläche installiert. Im März 2023 war das System fertig, um mit der Produktion von Sonnenenergie zu starten. „Aber eine Anlage zu bauen ist das eine, Strom erzeugen zu dürfen, eine andere Sache“, erzählt Peter Hoffmann, Leiter der Technologie. Der Zertifizierungsprozess, ein vielschichtiges Genehmigungsverfahren zum Einspeisen beim Netzbetreiber, dauerte bis November.
Acht Monate, in denen das Team täglich auf die von der Sonne beschienen Solarmodule schaute – aber nicht produzieren durfte. „Der Zeitraum ist durchaus normal, weil die Netzbetreiber überrannt werden. Es fehlt an einem gut durchdachten Konzept der Politik, bei denen Herausforderungen und Lösungen verankert sind – auch um die Netzbetreiber zu entlasten“, so Farnbacher.
Dennoch: Das Warten hat sich gelohnt. „Nach dem offiziellen Start im November 2023 befinden wir uns nun im Prozess für eine Vergütung unserer Einspeisungen“, erklärt Hoffmann. Denn vom großen Ziel, den „Überstrom“ aus sonnenreichen Stunden sinnvoll zum Ausgleich für energiearme Phasen im Eigenbedarf zu speichern, ist man noch weit entfernt. Auch wenn die Erfahrung bezüglich Durchschnittswerten nach einem Dreivierteljahr gering ist, zeichnet sich ab: In den Sommermonaten produziert Puls Vario zu 70 Prozent autark, in den Wintermonaten zu etwa 20 Prozent. Nach knapp sechs Jahren würde sich die Anlage rechnen.
SUCHE NACH SPEICHERLÖSUNGEN
Das Thema Speichermöglichkeiten soll auf jeden Fall angegangen werden, denn gerade an den Wochenenden speist die Firma viel Strom ins öffentliche Netz, den man selbst gut gebrauchen könnte. Nachts zum Beispiel, wenn die stromintensiven Lötanlagen durchgängig laufen. Als zweites Puzzleteil ergänzen zwei Wärmepumpen den Weg zum klimaneutralen Standort. Im Winter wärmen sie die Mitarbeitenden – im Sommer leisten sie Kühlung für die Räumlichkeiten. So konnte der Gasverbrauch signifikant reduziert werden.
„Um die Prozesse der Energiewende im eigenen Unternehmen effizient anzugehen, empfehle ich, sich im Vorfeld intensiv mit den Zertifizierungsprozessen auseinanderzusetzen und Kontakte zu Netzbetreibern, Dienstleistern und auch der Kommune zu knüpfen, wenn man zum Beispiel Freiflächen-PV-Anlagen nutzen möchte“, betont Robert Farnbacher. Zudem wurde bei Puls Vario auch daran gedacht, den Mitarbeitenden künftig einen Mehrwert aus der Sonnenenergie zu geben. „Wir haben gleich im Zuge des Anlagenbaus Kabelstränge für E-AutoLadesäulen mit verlegt. Bald starten wir mit zwei Säulen und können bei Bedarf auf zwölf Ladeplätze aufstocken“.
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„Wir beschäftigen uns auch mit dem Thema Wasserstoff. Wir sind eng im Austausch mit dem Netzwerk HZwo, dem sächsischen Innovationscluster für Wasserstofftechnologie, um uns mit anderen zu alternativen Lösungen auszutauschen. Ein Gedanke wäre, Wasserstoff zu produzieren, aus dem wir selbst wieder Strom herstellen. Aber die Anlagen sind noch zu teuer – so wie die großen Batterien auch, die deshalb als sinnvolles Speichermedium noch nicht infrage kommen“, so der Geschäftsführer. Auf der internen Firmenagenda steht das Jahr 2030 für die hundertprozentige Unabhängigkeit, in der Hoffnung und mit gutem Glauben daran, dass Lösungen dann erschwinglich sein werden. Dazu brauche es aber gerade für kleinere Unternehmen wie im Erzgebirge Signale aus der Politik.
Text: Sabine Schulze-Schwarz
Fotos: Puls Vario