02.12.2020
Erzgebirgisches Kleinstunternehmen nimmt Kurs nach vorn auf
Veränderte Marktbedingungen erfordern ein Umdenken. Für Kolja Trautvetter liegt gerade darin der Reiz, neue Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Erst im vergangenen Jahr gründete er seine Firma Trako Werkzeuge GmbH in Aue-Bad Schlema , ist seitdem mit einer festen Mitarbeiterin als Kleinstunternehmen im Metallhandwerk am Markt. So klein das Unternehmen ist, wurde es von Beginn an auf drei Säulen gestellt. Und nicht nur das: eine Patententwicklung, gezielte Netzwerkarbeit im Erzgebirge und Investitionen sollen den Betrieb weiter auf Erfolgskurs bringen.
Kolja Trautvetter sitzt in seinem Multifunktionsbüro. Mit Skizzen von Bauteilen erläutert er voller Enthusiasmus, wie man Konturen von Werkzeugen noch effizienter fräsen kann. Durch die breite Glasfront hindurch schaut man in die angemietete Werkhalle, hört das Surren der CNC-Maschine, die aus abgewetzten, stumpfen Werkzeugen im Kundenauftrag quasi neue schleift. Die größte Maschine steht jedoch gerade still. Noch kein Jahr ist sie alt, das sieht man ihr an. Sie ermöglicht es, individuelle Konturwerkzeuge in der spanenden Bearbeitung von Sonderwerkstoffen, zum Beispiel Titan, herzustellen. Sie sei die modernste ihrer Art südlich von Berlin im Wert eines neuen Einfamilienhauses – und eine Investition in die Zukunft, die nur coronabedingt aktuell nicht mit der Auslastung fährt, wie das zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung vorgesehen war. Für den Geschäftsführer der Trako Werkzeuge GmbH ist das kein Grund zu großer Sorge, die Nachfrage dazu steigt auf dem Markt prinzipiell. Sein noch junges Unternehmen, gegründet im Februar 2019, steht auf drei Beinen: als Dienstleister mit seiner Werkzeugschleiferei, als Hersteller von komplexen Konturenwerkzeugen und als Entwickler neuer Technologien. Eine eigene Patententwicklung mit mehreren Gebrauchsmustern beschäftigt den Tüftler bereits seit 2016.
Kleinwagenwert: Von der Idee zum Patent
Vorgänge optimieren, Werkzeuge besser machen, Dinge neu denken – bereits als Angestellter bei der Gebrüder Leonhardt GmbH & Co. KG Blema Kircheis kreiselten Ideen im Kopf von Trautvetter. Durch seine Verantwortung für den Firmennachwuchs ergab sich die Verbindung zu einer Professur an der Westsächsischen Hochschule Zwickau . Dort werden unter anderem im hochschuleigenem Labor Leistungsvergleichstests für Werkzeuge von weltweiten Herstellern durchgeführt. Ein laufendes Projekt zur Herstellung von Gasturbinenschaufeln und ihrer speziellen Konturen erregte sein Interesse. Da kam ihm die Idee, in Kooperation mit der Hochschule einen völlig neuartigen Hochleistungsfräser zu entwickeln, der schließlich im Vergleich zu Referenzwerkzeugen eine Leistungssteigerung von 233 Prozent aufwies. „Der Markt in dem Bereich bewegte sich zu dem Zeitpunkt kaum mehr“, erklärt Trautvetter. Nach einem Termin zur kostenfreien Erstberatung beim Patentinformationssystem in Chemnitz war klar: „Wir gehen das gemeinsam an.“ Das Patent wurde 2016 angemeldet, kurz nach Weihnachten 2017 war das Patent erteilt. Dazwischen lag ein komplexer Weg an Formalitäten und Terminen mit der Patentanwältin, der ungefähr einen Kleinwagen kostete.
Seitenwechsel: Vom Arbeitnehmer zum Arbeitgeber
15 Jahre lang arbeitete der gelernte Zerspanungsfacharbeiter als Werkzeugschleifer und Konturentwickler bei der Gebrüder Leonhardt GmbH & Co. KG Blema Kircheis. Der Arbeitsweg blieb auch nach Gründung seines Start-ups gleich, denn sein ehemaliger Arbeitgeber ist heute Vermieter der Firmenfläche der Firma Trako Werkzeuge GmbH. „Ich trug schon länger den Gedanken, etwas Eigenes zu machen, hatte Ideen im Kopf, aber auch die Frage: Macht es Sinn, in einem schon aufgeteilten Markt Fuß zu fassen?“, erzählt Trautvetter. Er startete zunächst einen Werkzeughandel im Nebengewerbe. Als Neuling Kontakte zu Unternehmen aufzubauen war eine anspruchsvolle Herausforderung, aber da war die Überzeugung: Es könnte funktionieren. Eine betriebsinterne Umstrukturierung bei der Blema gab ihm den ausschlaggebenden Kick, die Seite vom Arbeitnehmer zum Arbeitgeber zu wechseln. Ein Handelsunternehmen gründete er mit seiner Stieftochter, baute einen Kundenstamm auf. Heute ist der Kleinstunternehmer in der Metallbranche als Schneidwerkzeugmechaniker bei der Handwerkskammer gelistet. „Von dort bekam ich auch das nötige Rüstzeug rund um viele Gründungsfragen“, blickt er zurück. Und auch die Blema habe ihn sehr unterstützt. Maschinen konnte er herauskaufen und die Blema wurde zu einem der Kunden.
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Herausforderung in veränderten Situationen
„Heutzutage verkauft man nicht nur ein Werkzeug sondern eine Technologie“, fasst Kolja Trautvetter zusammen, was von großer Tragweite ist. Es geht nicht nur darum, mit einer Neuentwicklung eines Hochleistungsfräsers mehrere Werkzeuge zu ersetzen und somit Kosten zu sparen. Neue Marktbedingungen generell sind es, die ihn herausfordern, weiter aktiv zu werden, zu tüfteln und umzusetzen. Seit neuestem ist er deshalb Mitglied im Netzwerk SmartERZ . Das ist ein branchenübergreifendes Technologiebündnis mit Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft.
Heutzutage verkauft man nicht nur ein Werkzeug sondern eine Technologie
Das Netzwerk arbeitet konsequent daran, durch Innovationen den notwendigen Transformationsprozesse zu einem zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort zu begleiten und das Erzgebirge als führendes Technologiecluster für funktionalisierte, neuartige Verbundwerkstoffe, sogenannte Smart Composites zu etablieren. „Es hat mich gereizt dabei zu sein, wenn mit neuen Materialien Märkte erobert werden. Schließlich müssen diese neuen Materialien auch mit neuen Werkzeugkonzepten bearbeitet werden. Dort sehe ich mich mit meiner Erfahrung als Partner“, so Trautvetter. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass Kolja Trautvetter einer der ersten Nutzer der eigens für Austausch, Kooperation und Vernetzung entwickelten Plattform innovERZ.hub wurde.
Als Start-up ein Rädchen im Getriebe sein
Für Leute, die sich mit dem Gedanken tragen zu gründen, hat Kolja Trautvetter einen Rat: „Wenn möglich, sollte man zunächst nebenberuflich prüfen, ob die Idee machbar erscheint. Man muss sich auch im Klaren sein, dass sich die Arbeitszeiten komplett verändern. Man schafft das nur, wenn man für seine Idee brennt.“ Auch sein Weg sei holprig gewesen, aber er hätte nie an ihm gezweifelt. Eine große Chance sieht er darin, regional zu agieren. Oftmals wüssten Firmenchefs gar nicht, dass in direkter Nachbarschaft der ideale Kooperationspartner sitzt. Nutzen möchte Trautvetter auch künftig mehr Synergien über Forschungsprojekte nutzen. Denn gerade bei Instituten wie dem Fraunhofer kämen Firmen zusammen, wenn es um angewandte Problemlösungen geht. Dort ein Rädchen im Getriebe zu sein, ist ein Ziel der Trako Werkzeuge GmbH. Dem Anspruch gerecht zu werden, weiterhin innovative Werkzeuge zu entwickeln, ist ein weiterer Baustein im Fundament des Start-ups, um sich in den nächsten Jahren in der erzgebirgischen Unternehmenslandschaft fest zu etablieren.