02.03.2023
Mehr als die Hälfte der Verkaufsfläche in Sachsen entfällt auf den großflächigen Einzelhandel. Doch dazwischen gibt es sie noch: Die kleinen Tante- Emma- Läden, wo ein Plausch am Verkaufstresen immer inklusive ist. In Hormersdorf heißt sie allerdings nicht Emma, sondern Michaela Steudel, ist studierte Betriebswirtin und Inhaberin des „Lindner Bäck – Dor Dorfloden“. „Ich bin eigentlich völlig artfremd“, scherzt die 40-Jährige, die in ihrem bisherigen Erwerbsleben verschiedenste Stationen von der Tierwirtin über kaufmännische Angestellte bis hin zur selbstständigen Näherin von Upcycling- Taschen aufweisen kann. Mit der Eröffnung eines Einzelhandelsgeschäftes betrat sie im Mai des vergangenen Jahres neues Terrain.
Es stand schlecht um die Nahversorgung in dem kleinen Ortsteil der Stadt Zwönitz , seit der letzte Lebensmittelmarkt vor Jahren schließen musste und inzwischen auch die Bäckerei, die ein kleines Sortiment an Waren des täglichen Bedarfs abdeckte. „Vor allem die älteren Bewohner waren besorgt, weil es keine Einkaufsmöglichkeiten mehr im Dorf gab und sie meist nicht mobil genug sind, um die Angebote in den Nachbarorten zu nutzen“, erklärt Ellen Kunz, die als Fachverkäuferin im „Dorfloden“ arbeitet. Gemeinsam mit ihrer Chefin tüftelte sie im Vorfeld, wie man die Nahversorgung wieder gewährleisten und dem ehemaligen „Lindner Bäck“ neues Leben einhauchen könnte. Mit Unterstützung der Stadt Zwönitz und dank eines positiven Förderbescheids der LEADER - Region Zwönitztal- Greifensteine nahm das Projekt Fahrt auf.
Umfrage für mehr Nachhaltigkeit
Klar war, dass sich eine Bäckerei allein nicht tragen würde. Also überlegte Michaela Steudel, was zusätzlich angeboten werden könnte. Nachhaltig sollte es auf jeden Fall sein und den Nerv der Einwohner treffen. Um herauszufinden, was sich die Hormersdorfer wünschen, startete sie eine Umfrage. Brot und Brötchen führten die Hitliste an, weshalb der Laden jeden Morgen von einer regionalen Bäckerei beliefert wird. Ein Büchertauschregal lädt zum Schmökern ein und das Unverpackt- Sortiment leistet einen Beitrag zur Nachhaltigkeit und einem zeitgemäßen Umweltbewusstsein.
Ein Unverpackt- Laden auf dem Land? Kann das überhaupt funktionieren?
„Viele ältere Kunden finden es gut, dass sie genau die Menge kaufen können, die sie benötigen. So können sie ihren individuellen Bedarf decken und müssen nicht so viel tragen“, erklärt die Inhaberin. Gut gehen vor allem Nüsse und Müsli, wobei die Leute bei Reis und Nudeln tendenziell eher zurückhaltend sind. Von der Kundschaft aus nah und fern erhält das Team durchweg positives Feedback. Einige nehmen sogar weite Anfahrtswege auf sich, um regelmäßig in dem kleinen Geschäft einzukaufen. Doch Schönmalerei steht Michaela Steudel nicht: „Insgesamt ist es nicht leicht, ein solches Konzept auf dem Land durchzudrücken. Das hören wir auch hin und wieder von unseren Kunden. Auf dem Dorf ist es einfach schwieriger, die Leute für neue Dinge zu begeistern“. Hinzu kommt auch der Preisdruck der Discounter. Ihren Optimismus verliert sie dennoch nicht. Mit dem bisherigen Geschäftsverlauf zeigt sie sich den wirtschaftspolitischen Umständen entsprechend zufrieden.
Im Team mit dem Blick nach vorn
Für die Zukunft hat die Ladenchefin große Pläne von der Einrichtung eines DHL- Servicepunkts über die Einstellung eines Azubis bis hin zum Verstärken der Nachhaltigkeit. Auch persönlich möchte sie sich weiterentwickeln und durch ein Studium der Wirtschaftspsychologie lernen, ihre Kundschaft noch besser zu verstehen und das Geschäftsmodell entsprechend auszurichten. Gemeinsam mit Mitarbeiterin Ellen und Sohn Vincent, der sich im Social Media Marketing des Ladens austobt, blickt sie optimistisch nach vorn: „Wir sind ein gutes Team und das tragen wir auch gern nach außen.“
Text: Janine Nicke, IHK Chemnitz Regionalkammer Erzgebirge im Magazin "Wirtschaft Südwestsachsen", Ausgabe 01_02_2023
Fotos: Michaela Steudel / Lindner Bäck - Dor Dorfloden