Die Revolution in der Glasindustrie!

11.02.2025

Wie keine Scherben Glück bringen

Die ReViSalt GmbH ist ein Freiberger Glastechnologieunternehmen, das 2022 gegründet wurde. Drei Absolventen der TU Bergakademie Freiberg und zwei international erfahrene Unternehmer bilden das Team. Mittlerweile sind acht Angestellte am Standort Freiberg tätig. ReViSalt hat eine revolutionäre Technologie entwickelt, um Glas fester, dünner und leichter zu machen.

FESTER, DÜNNER, LEICHTER

ReViSalt ist in einem relativ unscheinbaren Gebäude zu Hause, das in einem Industriegebiet am südlichen Stadtrand von Freiberg liegt. Aber aufgrund von Äußerlichkeiten soll man ja bekanntlich nicht urteilen. Im Inneren arbeitet ein Team, das nicht weniger vorhat als die weltweite Revolution des Glasmarktes. Geschäftsführer Michael Heidan ist ein Mann, dessen Herz für Innovationen schlägt. Sein ganzes Berufsleben schon entwickelt er als Ingenieur neue Produktideen.

Mein Wunsch war es schon immer, eine eigene Firma aufzubauen.

Diese reiche Erfahrung in der Entwicklung bringt er nun seit fünf Jahren bei ReViSalt ein, einem Uni-Start-up. Der Kontakt zur TU Bergakademie Freiberg kam über einen Umweg zustande: Michael Heidans Frau betreibt einen Online-Shop für Trinkflaschen. Sie fragte ihren Mann, ob es nicht eine technische Lösung gäbe, Glasflaschen fester und haltbarer zu machen. Er erinnerte sich an die leichten, hochfesten Gläser, die man zu DDR-Zeiten aus der Gastronomie kannte. Beide gingen auf die Suche. Über das Glasmuseum in Weißwasser kam dann 2019 ein Kontakt zur TU Bergakademie Freiberg zustande.

Ein Forscherteam arbeitete hier bereits an einer technischen Lösung, Glas chemisch so zu behandeln, dass es superfest wird. Heidan bot dem Team an, sein unternehmerisches Know-how und seine Industriekontakte einzubringen. Die Forscher hatten großes Interesse daran, da sie ihr Verfahren gern in den Markt bringen wollten. Seit 2022 arbeiten die Wissenschaftler Dr.-Ing. Martin Groß, Dr.-Ing. Thomas Voland und Robert Wohlfarth gemeinsam mit Unternehmer Michael Heidan in der Firma ReViSalt an der Verfestigung von Glas. Die Kooperation mit der Universität besteht weiter.

Wie funktioniert chemische Verfestigung? 

Grob gesagt so: Das Glas kommt in ein warmes Kalium-Salzbad (KNO3). Ab ca. 400° Celsius findet an der Oberfläche ein Ionenaustausch statt. Kleine Natrium- 24Ionen aus dem Glas wandern aus, große Kalium-Ionen lagern sich in die Glasstruktur ein. Es entsteht eine Verspannung der Oberfläche, die zu höherer Festigkeit führt. „Trotz des chemischen Prozesses kann man das Glas bedenkenlos nutzen, da es ungiftig ist“, betont Heidan.

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Ich erkannte schon nach den ersten Gesprächen, dass das Potenzial der neuen Härtungstechnologie enorm ist.

Schnell wurden bereits 2019 mit dem Freiberger Verfahren erste Testreihen durchgeführt. Herkömmliche Härtungsverfahren dauern bis zu 24 Stunden und benötigen damit eine große Menge an Energie, um die hohen Temperaturen der Salzlösung zu halten, die es zum Härten braucht. Ein ungehärtetes Standardglas ging bei 600 Newton, also 60 kg Druckkraft, kaputt.

Die neue Technologie des TU-Teams hingegen schaffte bereits zu Beginn Erstaunliches: Ein nur 25 Minuten lang verfestigtes Glas hielt bereits die vierfache Druckkraft von bis zu 2.367 Newton (236,7 kg) aus. „Das war für mich revolutionär in zweierlei Hinsicht“, erinnert sich Heidan begeistert, „erstens aufgrund der enormen Steigerung der Festigkeit, zweitens aufgrund der Kürze der Zeit, in der wir dies erreichten.“ Diese Entwicklung galt es nun im nächsten Schritt zu schützen. Heidan arbeitete 2020 eine Patentstrategie aus, sicherte damit das technische Know-how weltweit nach mehreren Seiten hin ab.

Unsere Technologie hat disruptiven Charakter. Sie hat das Potenzial, den weltweiten Glasmarkt zu revolutionieren.

Beim ersten Kunden, dem Traditionsunternehmen Heinz Glas (seit 1622) aus Kleintettau in Bayern, ist das neue Glashärtungsverfahren bereits im produktiven Einsatz. Hier werden zum Beispiel hochwertige Flakons für die weltweite Parfüm- und Kosmetikindustrie gefertigt. Beim Bau der Glashärteanlagen kooperiert das Freiberger Team mit der Firma Glamaco in Coswig bei Dresden, einem Spezialmaschinenbauer u.a. für Schmelzverfahren und Wärmebehandlung, Rohrziehen und Glasblasen sowie chemisches Härten von Glas. Im September ging eine neue größere Versuchsanlage bei ReViSalt in Freiberg in Betrieb, um mehr Testreihen durchzuführen.

Mit weiteren strategischen Partnern im Bereich Anlagenbau ist ReViSalt im Gespräch, um das neue Härteverfahren in großindustrielle Anwendungen zu integrieren und weltweit zu etablieren. „Unser Verfahren funktioniert sowohl für Behälterglas als auch für Flachglas“, betont Heidan. Der potenzielle Markt ist daher riesig. Als eine Anwendung hat das Team etwa die Massenherstellung von Getränkeflaschen im Auge. Stellt man sich vor, das Glas so stark zu verfestigen, dann braucht es auch wesentlich weniger Material pro Flasche. Das spart Kosten, Energie und Zeit.

Ein weiterer Vorteil ist, dass die Flasche wesentlich leichter wird, was sich positiv auf die Senkung des Energiebedarfs beim Transport auswirkt. Hinzu kommen die verbesserte Kratzfestigkeit und höhere Schlagbeständigkeit. „Eine chemisch verfestigte Pfandflasche für Getränke, die immer wieder Abfüll- und Transport- sowie Rückgabe- und Reinigungsprozesse durchläuft, hat eine viel höhere Lebensdauer in der Kreislaufwirtschaft. Das ist echte Nachhaltigkeit“, erklärt Michael Heidan die Vorteile.

Wir bringen die Glasindustrie auf einen nachhaltigen Weg.

Warum wurden Getränkeflaschen bisher nicht chemisch verfestigt, könnte man fragen. Heidan hat eine klare Antwort: „Die bisherigen Verfahren dauern viele Stunden, benötigen enorme Mengen Energie und rechnen sich daher im industriellen Maßstab nicht. Unser Verfahren dagegen dauert nur wenige Minuten, erzielt dabei noch höhere Festigkeit. Das wird den Massenmarkt erobern.“ Bis zu 95 % lasse sich so der Energieaufwand gegenüber dem herkömmlichen Verfahren reduzieren.

Übrigens: Die Salzschmelze, in der das Glas gehärtet wird, kann regeneriert und mehrfach länger verwendet werden. Auch diese neue Technologie hat ReViSalt entwickelt und patentieren lassen. Weitere Anwendungen sieht Michael Heidan im Bereich Behälterglas bei Pharmaglas und Laborglas, im Flachglasbereich bei Displayglas, Solarpanelglas, Autoglas und Gebäudeverglasung. Jedes Glas, so die Vision der Freiberger, kann in Zukunft fester und langlebiger, dünner und leichter werden.