Weil das Erzgebirge sich doch lohnt
Der Bevölkerungsaufbau unserer Gesellschaft verändert sich rasant: Glich er früher einer Zwiebel, wird er allmählich immer mehr zum Pilz mit einem dünnen „Stiel“ aus jungen Menschen, darüber einem breitkrempigen „Hut“ – der Teil der Bevölkerung, der über 60 Jahre alt ist. Aber es reicht nicht, die Ursache für ausblutende Regionen allein bei der Demografie zu suchen. Auch die Schere zwischen urbanen Ballungsräumen und ländlichen Regionen wird zunehmend größer. „Niemand hat das Erzgebirge auf dem Zettel“ Raachermannl und Holzmichel sind schlechte Argumente, um junge Fachkräfte beispielsweise im Erzgebirge zu halten. Sie suchen Jobs mit vernünftigem Lohnniveau, bezahlbaren Wohnraum und Kindergärtenplätze ohne bürokratische Dramen. Erst, wenn diese Grundbedürfnisse erfüllt sind, können Gedanken an Heimatverbundenheit aufkommen. „Ironischerweise bieten wir all das – aber niemand hat das Erzgebirge als Wirtschaftsstandort auf dem Zettel. Unser Landkreis ist der einwohnerreichste in ganz Ostdeutschland, die Unternehmensdichte und Branchenvielfalt ist ebenfalls sehr hoch. Die Schwierigkeit besteht darin, das im Bewusstsein des Nachwuchses zu verankern“, so der Geschäftsführer der Wirtschafsförderung Erzgebirge GmbH Matthias Lißke . Die Organisation sieht sich als Dienstleister, Berater und Ideengeber für die Region. Oberste Priorität: das Erzgebirge wettbewerbsfähig halten. „Natürlich sind wir ländlicher als München oder Düsseldorf. Das bedeutet aber nicht, dass sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Unsere abwechslungsreiche Landschaft und das große Kulturangebot sichern die Work-Life-Balance. Die Menschen leben hier gelassener und weniger hektisch, schon allein deshalb, weil sie nicht jeden Tag stundenlang mit der Rushour kämpfen“, so Matthias Lißke. Regionalmanagement muss mit der Zeit gehen Bleibt die Frage, wie all diese Argumente zur Zielgruppe gelangen. Regionalmanager müssen umdenken. Es reicht längst nicht mehr, mit einem schlauen Claim im Gepäck Schulen abzuklappern und dort mit Flyern für die Region zu trommeln. Die Wirtschaftsförderung Erzgebirge verfolgt vielfältige Ansätze – von der Städtenetzkonzeption über die regionale Weiterentwicklung bis hin zur Bewerbung für den UNESCO Weltkulturerbetitel. Matthias Lißke fände selbigen nicht nur für die Tourismusbranche wichtig: „Der Imagegewinn durch einen solchen Titel würde auch die regionale Identität und das Zugehörigkeitsgefühl der Erzgebirger stärken.“ Die Maßnahmen sind allesamt lobenswert, verpuffen aber noch zu oft ungehört von der Zielgruppe. Dabei ist die Interaktion mit den jungen Fachkräften wichtig und sollte bestenfalls in den Kanälen stattfinden, in denen sie sich sowieso aufhalten. Die Wirtschaftsförderung Erzgebirge vertraut in diesem Punkt auf die Digitalkompetenz der Dresdner Kreativagentur Mindbox. Die rät zu Dialog in sozialen Medien. „Gerade in den Social Media Kanälen können Unternehmen und Organisationen über das reine Werben hinausgehen und sinnvollen Mehrwert bieten“, begründet Christoph Schöne, Geschäftsführer bei Mindbox, diesen Schritt. „Im Fall Wirtschaftsförderung setzen wir neben kontinuierlicher Facebook-Kommunikation auf eine Art Heimweh-Aktivierungstool: Mit der App Im Herzen Erzgebirger sollen diejenigen, die wegen Job, Liebe oder anderen Gründen weggezogen sind, daran erinnert werden, wie schön ihre Heimat ist. Sie können auswählen, warum ihr Herz dem Erzgebirge gehört und den Grund auf ihrem Facebook-Profil teilen. Außerdem gibt es eine Landkarte, auf der zu sehen ist, wo Erzgebirger, die ihre Heimat verlassen haben, inzwischen wohnen.“ Der schönste Fleck auf Erden braucht Heimkehrer Die Heimweh-Aktivierung via App funktioniert offenbar: „Ich bin im Herzen Erzgebirger, weil es der schönste Fleck auf Erden ist, ganz klar“, schreibt etwa ein Nutzer. „...weil ich dort die schönste Kindheit hatte, die man sich wünschen kann“, ein anderer. Bleibt zu hoffen, dass der schönsten Kindheit die Heimkehr möglichst vieler, junger Fachkräfte folgt. Ansprechpartner: Dr. Peggy Kreller Projektmanagerin Telefon: 03733 / 145 146 kreller@wirtschaft-im-erzgebirge.de www.wirtschaft-im-erzgebirge.de