SERIE: INNOVATIONEN IM ERZGEBIRGE - Kleine Kugeln kommen ganz groß raus
VON GUNTER NIEHUS
WILDBACH - "Jetzt ist es Styropor." Werner Becher dreht seine Hand herum. Die weiße Kugel, die darauf lag, fällt zu Boden. " Jetzt ist es Wilesith." Der Geschäftsführer der wbw GmbH im Bad Schlemaer Ortsteil Wildbach muss diese Unterscheidung machen.
Sein Recycling-Unternehmen hat sich auf die Weiterverarbeitung des weißen Verpackungsmaterials spezialisiert. Wiederverwerten kann man nur Abfall. Und was auf den Boden fällt, ist Abfall. Dies bekommt man schon als Kind eingebläut. Juristen sehen dies irgendwie ähnlich. Zumindest darf Becher auf keinen Fall Styropor verkaufen. Wilesith dagegen schon.
Der Geschäftsmann wurde natürlich nicht für den Sächsischen Innovationspreis nominiert, weil er Styropor nach unten plumpsen lässt. Er macht aus dem Stoff etwas völlig neues. Große Maschinen - alles Marke Eigenbau - zerschreddern das Verpackungsmaterial zu kleinen Kugeln und mischen es mit Zement, brandhemmenden Stoffen und anderen Materialien. Heraus kommt ein Dämmmaterial für alle Gelegenheiten. Benannt ist es nach dem Ausgangsstoff Wilesith.
Mit dem Baustoff lässt sich viel anstellen. "Ich habe damit schon acht komplette Häuser gebaut", sagt der Geschäftsführer. Dabei handelt es sich um Fachwerkhäuser, deren Standfestigkeit auf massiven Holzbalken beruht. Zwischen die Träger wird Wilesith gegossen, das mit Wasser vermischt wurde. Wenn die Masse getrocknet ist, erinnert das Ganze optisch an ein Lehmhaus. Dämmwerte und Luftdurchlässigkeit sind vergleichbar. Auch Fußböden können gegen Hitze oder Kälte geschützt werden, indem man unter dem Estrich noch eine Schicht Wilesith verlegt.
Rund 500 Kubikmeter seines Dämmmaterials verkauft er pro Jahr. Früher war es noch mehr. "Seit die Dieselpreise in astronomische Höhen gestiegen sind, machen uns die Frachtgebühren das Geschäft kaputt", sagt Becher. Die Zeiten, als er und sein einziger Angestellter Wilesith bis nach Spanien und in die Schweiz geschickt hatten, sind vorbei. Doch auch innerhalb Deutschlands hat die wbw GmbH mit ihrem Dämmstoff schon auf sehr bekannten Großbaustellen gearbeitet. Als Beispiele nennt Becher das Schloss Wackerbarth, die Zwickau-Arkaden sowie das Bundeskanzleramt in Berlin.
Sollte es mit dem Innovationspreis nicht klappen, könnte Werner Becher in einigen Jahren übrigens einen neuen Anlauf wagen. Dann aber nicht mehr mit Styropor - Pardon, Wilesith. Der Tüftler arbeitet gerade an einem Holzbeton.
Innovationspreis. Bewerben konnten sich kleine und mittlere Unternehmen mit bis zu 500 Beschäftigten und Sitz in Sachsen. Über die Vergabe der Ehrungen mit einem Preisgeld von insgesamt 60.000 Euro entscheidet eine Jury aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Es gibt zwei mit je 5000 Euro dotierte Sonderpreise. Neben der Commerzbank vergeben dieses Jahr erstmals die sächsischen Handwerkskammern einen Sonderpreis.
Internet: www.innovationspreis.sachsen.de Quelle: Freie Presse, Ausgabe Schwarzenberger Zeitung, 29.04.2011