Rechenmeister prägt Bild der Stadt
VON ANTJE FLATH
ANNABERG-BUCHHOLZ /CHEMNITZ - Rainer Gebhardt setzt sich in vielfacher Weise für das Erzgebirge ein: Als Leiter des Transferzentrums Textiltechnologie in Chemnitz unterstützt er die heimischen Textilfirmen. Im Bereich der Wissenschaft trägt er mit seiner fundierten Forschung über Rechenmeister Adam Ries dazu bei, dessen Erbe zu bewahren und den Namen von Annaberg-Buchholz und dem Erzgebirge in die Welt zu tragen.
Und das ist keineswegs übertrieben, denn der Adam-Ries-Bund zählt im 20. Jahr seines Bestehens mittlerweile mehr als 200 Mitglieder, die aus dem gesamten Bundesgebiet sowie aus der Schweiz, Dänemark, Belgien, Österreich, Großbritannien und aus den USA kommen. Für den 47-jährigen Professor sind denn auch sie die eigentlichen Botschafter. Denn: "Wer von ihnen Annaberg und das Erzgebirge bisher nicht kannte, für den ist beides jetzt ein Begriff", ist er überzeugt. Dafür sorgen unter anderem regelmäßige wissenschaftliche Kolloquien zu Adam Ries einerseits, aber auch zu den Rechenmeistern der frühen Neuzeit sowie zu regionalen Themen. Und die haben laut Rainer Gebhardt längst einen festen Platz im nationalen wie im internationalen Maßstab. Erst zur jüngsten Veranstaltung im April - bei der es um "Kaufmanns-Rechenbücher und mathematische Schriften der frühen Neuzeit" ging - waren annähernd 70 Experten auch Österreich, der Schweiz, Dänemark, Tschechien, den USA und natürlich Deutschland dabei.
Als Vorsitzender des Adam-Ries Bundes hat der gebürtige Annaberger zudem wesentlichen Anteil an der Neugestaltung und Etablierung des Adam-Ries-Museums als "Schatzkammer der Rechenkunst". Wenngleich es ein Experiment war, als Bund das Museum zu übernehmen, wie er sagt. Die Alternative wäre damals gewesen, dass die Stadt das Adam-Ries-Haus schließt. Mittlerweile sei aber auch bei der Stadt ein ganz neues Verständnis für Adam Ries da, was sich unter anderem in der Bezeichnung Berg- und Adam-Ries-Stadt Annaberg-Buchholz widerspiegele. Es existiere ein Vertrag mit der Kommune zum Betrieb des Museums. Die finanzielle Unterstützung sei allerdings in den zurückliegenden Jahren immer weniger geworden. Als Ausgleich gewissermaßen sollte die Stadt dafür sorgen, dass eine Stiftung gegründet wird, erzählt der Familienvater und Opa. Das sei bisher aber nicht passiert. Daraus resultiert auch sein Wunsch, dass eine Stiftung doch noch zu Stande kommt und damit die Finanzierung des Museums langfristig gesichert ist, Wie schwierig dieses Vorhaben ist, dessen ist sich der direkte Nachfahre des großen Rechenmeisters - einer von bisher insgesamt 24.000 ermittelten - bewusst.
Neben dem Jubiläum des Bundes gibt es 2011 noch einen Grund zum Feiern: Die Adam-Ries-Schülerwettbewerbe finden in diesem Jahr zum 30. Mal statt. Einst nur in Sachsen ausgetragen, treffen sich jetzt regelmäßig die besten jungen Rechenkünstler aus dem Freistaat mit ihren Altersgefährten aus dem benachbarten Thüringen, Oberfranken und Tschechien. Der Hintergrund: Im oberfränkischen Staffelstein hatte der Gelehrte 1492 das Licht der Welt erblickt und in Erfurt von 1518 bis 1522/23 eine Rechenschule betrieben. Das Finale des Wettbewerbes aber wird jedes Jahr in Annaberg-Buchholz ausgerichtet.
Quelle: Freie Presse, Ausgabe Annaberger Zeitung, 21.05.2011