Gemeinsame Schnittmengen beim zweiten Vernetzungstreffen innovativer Mobilitätsprojekte
Am 9. Juli 2021 fand auf gemeinsame Initiative des WIR!-Bündnisses „Smart Rail Connectivity Campus“ (SRCC) und von „Smart City Zwönitz“ das zweite Netzwerktreffen innovativer Mobilitätsvorhaben im Erzgebirgskreis und in Mittelsachsen statt. Neben den vier regionalen Mobilitätsprojekten, welche sich bereits am 11. Dezember 2020 austauschten, vergrößerte sich die Runde um zwei weitere Projekte („Shuttle im Quartier“ und „SteigtUM“) sowie um einen Vertreter der Wirtschaftsförderung Erzgebirge . Während des Treffens wurden die Projektansätze der neu hinzugekommenen Vorhaben vorgestellt und diskutiert sowie die aktuellen Arbeitsstände und Herausforderungen der Projekte „Stollberg bewegt“ (vormals „Stollberg macht mobil“), „ERZMobil“, „Mobility4All“ und „Smarte Mobilitätsketten im ländlichen Raum“ präsentiert.
Das Vernetzungstreffen diente neben dem Erfahrungsaustausch auch dem Identifizieren von Schnittmengen und Abgrenzungsbereichen, um darauf aufbauend die Basis für ein gemeinsames Vorgehen bei der Weiterentwicklung der derzeitigen Mobilitätskonzepte zu schaffen und Synergien zu nutzen.
Anhand der laufenden Projekte in den Regionen Südwest- und Mittelsachsen wird deutlich, dass sich die Landkarte innovativer Mobilitätsprojekte stetig verdichtet und hier ein Keim für intelligente Mobilitätslösungen jenseits der gängigen Konzepte für Großstädte heranwächst. Die Mobilitätsprojekt-Landkarte umfasst die am Vernetzungstreffen beteiligten, nachfolgend skizzierten Vorhaben, welche im überwiegend ländlich geprägten Raum um Chemnitz herum – sowohl an Bahnachsen angebunden als auch zwischen diesen befindlich – angesiedelt sind.
Mobility 4All
Nördlich von Chemnitz verläuft eine Bahnachse durch die Stadt Mittweida, wo das Projekt „Mobility4All – Mobilität weiterdenken in Mittweida“ verortet ist. Der regionale Fokus liegt hierbei auf der Hochschulstadt und deren Umland. Das Vorhaben ist in das WIR!-Vorhaben „Blockchain-Schaufensterregion Mittweida“ eingeordnet (blockchain.hs-mittweida.de). Die Hochschule Mittweida forscht mit dem Projekt an einer zukunftsfähigen Mobilität für den ländlichen Raum. Es wird insbesondere die emissionsfreie Mobilität im Bereich der Sharing-Economy auf Basis der Blockchain-Technologie erforscht und getestet. Dabei nimmt die Region Mittweida die Rolle eines Reallabors für neue multimodale Mobilitätskonzepte ein. Der langfristige Fokus wird auf die automatisierte und bedarfsgerechte Bereitstellung von gemeinsam genutzten Mobilitätsträgern (z. B. (e-)Autos, (e-)Fahrräder (e-)Roller) für Privatpersonen und Unternehmen gelegt. Die Blockchain-Technologie soll einen signifikanten Mehrwert gegenüber den bisher am Markt verfügbaren Mobilitätsplattformen bieten.
SteigtUM
An einer weiteren Bahnstrecke befindlich ist die Universitätsstadt Freiberg , in welcher das Projekt „SteigtUM“ angesiedelt ist. Das Verbundvorhaben wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und verfolgt das Ziel, ein umweltfreundliches urbanes Mobilitätskonzept auf Basis von elektrisch betriebenen Mikromobilen für Kleinstädte zu entwickeln. Das Projekt, mit einer Laufzeit von 12/2019 bis 05/2023, erarbeitet ein Mobilitätssystem, das neben den alltagstauglichen elektrischen Kleinfahrzeugen aus einer autonomen Verleih- und Ladeinfrastruktur und einer universellen Nutzungsschnittstelle besteht. Damit soll einem möglichst breiten Kreis an Menschen eine kostengünstige, leicht verfügbare und emissionsfreie Alternative zum PKW angeboten werden. Das System kann sowohl privat als auch gewerblich genutzt werden. Im Anschluss an die nutzerzentrierte Entwicklung wird das Gesamtsystem in einem mehrstufigen Reallabor in der Stadt Freiberg hinsichtlich Funktionalität, Flexibilität, Akzeptanz und Nutzerfreundlichkeit erprobt.
Smarte Mobilitätsketten im ländlichen Raum
Das vom SRCC (smart-rail.cc) initiierte Projekt „Smarte Mobilitätsketten im ländlichen Raum“ wird vom BMBF im Rahmen der WIR-Initiative gefördert und läuft bereits seit Anfang 2020. Der Schwerpunkt des Projekts liegt auf der Entwicklung eines smarten, multimodalen und vernetzten Mobilitätskonzeptes für einen Mobilitätsraum in der Region Chemnitz- Erzgebirge unter Berücksichtigung und zur Bewältigung bestehender angebotsseitiger, nachfrageseitiger, rechtlicher und technologischer Barrieren.
Nach der Identifikation entsprechender Barrieren werden nun Lösungsansätze zu deren Überwindung erarbeitet sowie projektbegleitend die ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit der alternativen Konzepte untersucht und bewertet. Da der ländliche Raum durch eine geringe Erschließungsqualität des ÖPNV charakterisiert ist – insbesondere zwischen den Hauptverkehrsachsen –, wurde der Betrachtungsfokus auf zwei konkreter Mobilitätsräume gelegt: die Gemeinde Gelenau, mit einer für den Erzgebirgsraum typischen, langgezogenen Ortsform, und deren innerörtlichen Erschließung, sowie die Flächenkommune Marienberg und die Anbindung der umliegenden Zentren und Umlandkommunen.
Neben dem Projekt „Smarte Mobilitätsketten im ländlichen Raum“ nehmen auch das Gesamtvorhaben SRCC mit seiner Teststrecke zwischen Annaberg-Buchholz und Schwarzenberg sowie das „Nachhaltige Elektromobilitätskonzept für Annaberg-Buchholz (NEMAB)“ auf die regionalen Mobilitätsthemen Einfluss.
Shuttle im Quartier (ShiQ)
Wie auch die Gemeinde Gelenau befindet sich Ehrenfriedersdorf zwischen zwei Bahnachsen und steht den Herausforderungen der innerörtlichen Feinerschließung aber auch dem demografischen Wandel gegenüber. SHIQ erleichtert die Wege für die Bewohnerinnen und Bewohner von Ehrenfriedersdorf, die nicht durch den ÖPNV abgedeckt sind. Ein E-Shuttle im und um das Quartier der Wohnungsgenossenschaft „Glück auf“ Ehrenfriedersdorf eG verbindet soziale Assistenzdienstleistungen mit On-Demand-Mobilität. Von Haustür zu Haustür bis zum Supermarkt, Arzt, Rathaus oder Apotheke sollen die Bewohnerinnen und Bewohner gefahren werden. Ein Kümmerer an Bord begleitet hilfebedürftige Menschen von der Wohnung in das Shuttle. Der Bewegungsradius von Einwohnern mit eingeschränkter Mobilität wird erhöht, der Individualverkehr für Kurzstrecken wird reduziert und die Lebensqualität im Ort steigt. Neben dem Effekt des stärkeren Teilhabens am gesellschaftlichen Leben für Seniorinnen und Senioren, hilft es dem Einzelhandel und Dienstleistern vor Ort. In der Folge brauchen Menschen, vor allem an der Grenze der Fahrtüchtigkeit, kein eigenes Auto mehr. Positive Effekte sind die Entlastung von Angehörigen und Pflegepersonal, positive Umwelteffekte und die Einsparung von Parkflächen. Für einen Ort im ländlichen Raum wie Ehrenfriedersdorf bewirkt dieses „SHIQ“-Shuttleangebot steigende (Wohnraum-)Attraktivität und mehr Möglichkeiten, damit die Einwohner länger selbstbestimmt in ihren Wohnungen leben und dennoch am gesellschaftlichen Leben mit Einkaufen, Kultur und Begegnungen teilhaben können. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Zeitraum vom 01.09.2020 – 31.08.2023 gefördert.
ERZmobil
In vielen erzgebirgischen Kleinstädten stellt es eine Herausforderung dar, die Ortsteile an den ÖPNV und an die Innenstadt anzubinden. Aus der Bergstadt Zwönitz wurde der aktuelle Stand des Projekts „ERZmobil“ vorgestellt, welches dieser Problematik begegnet. Realisiert wird das Projekt im Zuge des Gesamtvorhabens „Smart Zwönitz“ (smart-zwoenitz.de). Der Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung eines On-Demand-Systems für die Stadt Zwönitz und perspektivisch für das ganze Erzgebirge. Ziel ist dabei, den Zugang zum bestehenden ÖPNV durch einen digital gemanagten Rufbus (wieder)herzustellen. Dabei werden neben den technischen Maßnahmen, wie der Entwicklung einer App, auch die finanziellen und organisatorischen Hintergründe berücksichtigt. Beispielsweise wird ein nachhaltiges Geschäftsmodell entwickelt, das auch über den Förderzeitraum hinaus funktionieren soll. Das Projekt hat in den letzten Wochen die erste Hürde der Beauftragung von Entwicklungsleistungen genommen und wird nun bis Dezember eine erste App entwickeln. Besonders am Herzen liegt dem Projektteam dabei, dass neben der neu entstehenden Verkehrsleistungen auch innovative Technologien in der Region entwickelt werden.
Stollberg bewegt
Auch die Nachbarstadt Stollberg ist unmittelbar an die Bahnachse nach Chemnitz angebunden. Dennoch stellt auch hier die Anbindung der Ortsteile an die Kernstadt und den ÖPNV eine Problematik dar. Das Vorhaben verfolgt mit dem Betrieb eines Gemeindebusses das Ziel, Mobilität vom motorisierten Individualverkehr auf umweltfreundliche Verkehrsträger zu übertragen. Hauptzielgruppe sind dabei Menschen unter 18 Jahren und über 75 Jahren. Dies spricht vor allem Menschen an, die selbst nicht (mehr) in Lage sind, ein eigenes Auto zu führen und/oder aktiv die Dienste des ÖPNV mit dessen Haltestellenstruktur in Anspruch zu nehmen. Gleichzeitig werden durch Sammelfahrten von Kindern und Jugendlichen im Rahmen von Vereins-, Ausflugs- und Transportfahrten Eltern entlastet.
Im Vernetzungsteil der Veranstaltung diskutierten die Vertreter und Vertreterinnen der Projekte über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede ihrer Projektansätze sowie die Herausforderungen einer bedarfsgerechten, nachhaltigen und auch intermodalen Mobilität. Einigkeit bestand vor allem darin, dass der gemeinsame Erfahrungsaustausch mit Blick auf die projektspezifischen Herausforderungen und auch Lösungsansätze sowohl sehr ertragreich als auch notwendig ist. Eine Fortführung des Vernetzungsformates in einem halbjährlichen Turnus wurde gewünscht. Für den Januar 2022 wird das nächste Treffen angesetzt. Das Netzwerk ist für weitere Projekte sowie interessierte Kommunen offen, die Mitarbeit ist ausdrücklich erwünscht.
Ansprechpartner für Interessierte:
- Dr. Steve Rother: E-Mail steve.rother@wirtschaft.tu-chemnitz.de (Smarte Mobilitätsketten im ländlichen Raum)
- Dr. Martin Benedict: E-Mail m.benedict@zwoenitz.de (Smart Zwönitz)
- Patrick Roßner: E-Mail P.Rossner@stollberg-erzgebirge.de (Stollberg bewegt)
- René Härtel: E-Mail rene.haertel@hs-mittweida.de (Mobility 4All)
- Konrad Uebel: E-Mail konrad.uebel@freiberg-institut.de (ShiQ)
- Prof. Dr. Jana Kertscher: E-Mail Jana.Kertzscher@et.tu-freiberg.de (SteigtUM)
(Quelle: TU Chemnitz / Julia Döring)