Entscheider trägt gern den Bergkittel
Aktuell rühren rund 60 " Botschafter des Erzgebirges " die Werbetrommel für die Region. Zu ihnen gehört auch Freibergs Oberbürgermeister Bernd-Erwin Schramm .
FREIBERG - Mit seinen 62 Jahren hat er viel erreicht im Leben: Er war nicht nur in der Industrie , sondern genauso in der Bankenbranche tätig. Seit August 2008 ist Bernd-Erwin Schramm (parteilos) Oberbürgermeister von Freiberg. Ein kurzer Gruß, ein verbindlicher Händedruck. "Kaffee?", fragt er den Gast und bittet seine Sekretärin, ihm einen Tee zu bringen.
"Wenn ich offiziell als Oberbürgermeister auftrete, dann im Bergkittel."
Bernd-Erwin Schramm Oberbürgermeister von Freiberg
Obwohl es in der nächsten Stunde genauso um die Person Bernd-Erwin Schramm gehen wird, steht im Zentrum des Gesprächs etwas anderes. "Wir sind die Hauptstadt des Bergbaus", sagt er. Dabei fallen nicht nur Stichworte wie Bergakademie, Oberbergamt, Reiche Zeche und die mineralogische Sammlung "Terra mineralia". Nein, Schramm erfüllt die Sätze mit Leben. Er erzählt, wann er wo war, was er dort erlebt hat, schweift ab und kehrt wieder zum Ausgangspunkt zurück. Sei es bei der Bergparade, dem Bergfest oder der Mettenschicht. "Freiberg, das ist eine Stadt, in der die Tradition lebendig ist." Sagt es und lehnt sich in seinem Stuhl zurück, das rechte Bein über das linke geschlagen, und gestikuliert. Ein paar Mal steht er während des Gesprächs auf, holt etwas, guckt im Rechner nach, wie genau der Stand der Dinge ist."Freiberg ist historisch, geografisch und kulturell Teil des Erzgebirges", sagt Schramm. Deshalb ist für ihn eine Sache klar: "Der OB ist Botschafter des Erzgebirges, ob man ihn dazu ernannt hat oder nicht." Vielleicht liegt es ihm ja auch, die Bergstadt nach außen zu repräsentieren - bundesweit wie jüngst in Berlin oder auf Auslandsreisen.
Schließlich scheint Schramm ein Mann zu sein, der heute dort angekommen ist, wohin er wollte. "Ich bin kein Freund von Großstädten", sagt er, der 1948 im beschaulichen Finsterwalde zur Welt kam. In der Niederlausitz ging er zur Schule, machte Abitur und seinen Facharbeiter im Maschinenbau. 1969 verschlug es ihn wegen des Studiums der ökonomischen Kybernetik nach Freiberg. Ein Glücksfall im Leben des Bernd-Erwin Schramm. Denn in der Bergstadt lernte er seine große Liebe Gabriele kennen. "Eine gebürtige Freibergerin", sagt das Stadtoberhaupt und lässt Sekunden verstreichen, so als ob er sich an das erste Treffen zurückerinnert: "Das war letztlich ein Punkt, weshalb ich hiergeblieben bin." Er lacht. Das war 1973. Mittlerweile sind die beiden Söhne Hardy und Falko erwachsen. Nach dem Studium arbeitete Schramm fast drei Jahrzehnte im Bergbau - und Hüttenkombinat in Freiberg - bis 1990. "Eine hochinteressante Zeit" für ihn. Allerdings spielt er nicht auf die Wende, sondern auf die zweite Hälfte der 1980er-Jahre an. Auf Schramms Initiative hin wurden seinerzeit im Kombinat Becher, Figuren und Leuchter aus Zinn produziert. Er wirft einen Blick zum Schrank hinüber, wo ein kiloschwerer Zinnbarren zu sehen ist, auch eine Parade von Berg- und Hüttenmännern. Mehrere Becher stehen ebenfalls dort. "Die habe ich entworfen."
Von der ersten Skizze bis hin zur Verpackung habe er sich um alles gekümmert. Seine Augen leuchten. Im Nachfolgerbetrieb des Kombinats, der Saxonia, war er Mitglied im Vorstand, danach leitete er zuerst die Filiale der Dresdner Bank in Freiberg, ehe er in den Vorstand der Kreissparkasse wechselte. "Wenn ich irgendwo offiziell als Oberbürgermeister auftrete, dann im Bergkittel, das ist das Festkleid." Und dann streift Schramm sie doch, die aktuelle Stadtpolitik. Er kann manche Dinge auf den Weg bringen, bei denen andere Politiker zum Scheitern verurteilt sind. 2015 muss er sich nämlich aus Altersgründen keiner Wiederwahl stellen. Dessen ist er sich bewusst und treibt mit Verve Projekte wie die Ortsumgehung Freiberg voran, was ihm nicht nur Freunde verschafft.
Bei all den Dingen, die in der Unterhaltung angeklungen sind, hat Schramm beinahe den Tee vergessen. Der Beutel hängt in der halbvollen Tasse. Der Botschafter des Erzgebirges greift zu und nimmt einen kräftigen Schluck.
(Alexander Christoph)
Quelle: Freie Presse, Ausgabe Stollberger Zeitung, 10.06.2011