Dr. Siegfried Sieber - Heimathistoriker, Volkskundler, Lehrer und Schriftsteller
Am 27. März 2010 jährt sich zum 125. Male der Geburtstag des Auer
Ehrenbürgers Dr. Siegfried Sieber. Anlässlich des 125. Geburtstages des
namhaften Heimatforschers und in Würdigung seiner Verdienste wird in einer
Vitrine im Eingangsbereich des Stadtmuseums Aue vom 14. März 2010 bis zum
02. Mai 2010 eine kleine Präsentation über Siebers Leben und Wirken gezeigt.
Der Name dieses Mannes ist nicht nur untrennbar mit der Stadt Aue verbunden,
sondern hat vor allem hinsichtlich der wissenschaftlichen Hinterlassenschaft
enorme Bedeutung für die gesamte westsächsische Region. Streben und Schaffen
des sehr bekannten und geachteten Heimathistorikers, Volkskundlers, Lehrers
und Schriftstellers waren stets darauf gerichtet, historisch und
volkskundlich Bedeutsames seiner Heimat wissenschaftlich zu erkunden,
bekannt zu machen und nachfolgenden Generationen zu erhalten. Vor allem
hinsichtlich der regionalen und überregionalen mittelalterlichen
Siedlungsgeschichte, der Bergbau - und Industriegeschichte seiner Heimat, der
Sozial-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte sowie der Volkskunde des
sächsisch-erzgebirgischen Raumes sind Dr. Siebers Leistungen und
Forschungsergebnisse von höchst beachtlichem Wert. Noch heute finden Siebers
wissenschaftliche Arbeiten als Sekundärquellenmaterial im Rahmen der
einschlägigen Fachwissenschaft Verwendung. Doch auch als Autor von
Erzählungen erlangte Dr. Sieber Bekanntheit.
Das Leben Dr. Siegfried Siebers war von Höhen und Tiefen geprägt. Als Sohn
einer Lehrerfamilie wurde er am 27. März 1885 in Oschatz geboren. Nach dem
Besuch des Kreuzgymnasiums in Dresden und der Mitgliedschaft im Kreuzchor
studierte Siegfried Sieber an den Universitäten Leipzig und München. Er
legte das Staatsexamen in Geschichte, Geografie sowie Deutsch ab und
promovierte 1910 zum Doktor der Philosophie. Im Jahre 1912 nahm Dr. Sieber
eine Lehrtätigkeit an der ursprünglichen Real- und späteren Oberrealschule
Aue auf. Bereits zu diesem Zeitpunkt befasste er sich mit der Vergangenheit
und dem Volksleben seiner nunmehrigen Heimat. Aus dem 1. Weltkrieg
zurückgekehrt, wandte sich Sieber noch intensiver der Heimatforschung zu.
Jahrzehnte unermüdlicher wissenschaftlicher Tätigkeit begannen. 1919
gründete er die Volkshochschule in Aue und wirkte jahrelang an dieser
Bildungseinrichtung. Maßgeblich und aktiv war Dr. Sieber zudem an der
Gründung und dem Wirken des Auer Museumsvereins sowie an Aufbau und Betrieb
des Auer Heimatmuseums beteiligt. Neben vielen der von ihm gesammelten
Sachzeugen zur Vergangenheit unserer Heimat befindet sich sein schriftlicher
Nachlass in der musealen Einrichtung an der Auer Bergfreiheit.
Siebers Engagement verdanken wir auch die Rettung des romanischen
Putzritzbildes von Klösterlein Zelle vor vollständiger Zerstörung durch
schädigende Umwelteinflüsse. Auf seine Anregung beging die Stadt Aue im
Jahre 1923 festlich ihre 750-Jahrfeier. In diesem Rahmen war Sieber der
Herausgeber und Mitautor einer Festschrift. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges
begann für den damals über 60 - Jährigen eine vorerst schwere und
entbehrungsreiche Zeit. Der bisher unermüdlich Schaffende wurde denunziert
und wegen angeblicher Nähe zum Naziregime aus dem Schuldienst entlassen.
Neben seiner beruflichen Existenz verlor Dr. Sieber samt seiner Familie auch
die bisherige Wohnung. Entsetzt musste er mit ansehen, wie russische
Besatzungssoldaten Stücke seiner wertvollen Privatsammlung sinnlos
zerstörten.
Später besann man sich wieder auf das Wissen Siebers. So war er aktiv an den
Vorbereitungen zur 800 - Jahrfeier von Aue im Jahre 1973 beteiligt. Noch in
unseren Tagen stellen seine " Studien zur Geschichte der Stadt Aue " eine
Fundgrube historischen Wissens für Interessenten lokaler und regionaler
Geschichte dar. Dr. Siegfried Sieber war bei all seinem Schaffen keinesfalls
ein Eigenbrödler. Er arbeitete mit anderen Heimatforschern zusammen und
vereinte sie in mit der Gründung der " Forschungsgruppe Westerzgebirge " in
einem Interessenverband. Aus der Feder des Auer Wissenschaftlers stammen
eine Vielzahl von Büchern und Fachaufsätzen. Auch auf den Gebieten der
Denkmalpflege und der Archäologie erbrachte Dr. Sieber beachtliche
wissenschaftliche Leistungen. Dazu gehört die Bestandsaufnahme von 250
Bauernhöfen für das Institut für Volkskunde in Dresden. Des weiteren fanden
unter seiner Leitung Grabungen an der Isenburgruine bei Wildbach und am
Ringwall bei Blauenthal statt. Funde von diesen Grabungen an beiden
frühdeutschen Wehranlagen sind im Auer Stadtmuseum zu sehen. Seit der
Gründung des Kulturbundes der DDR war Dr. Sieber auch dort Mitglied.
Für all seine Leistungen wurde der namhafte Auer Wissenschaftler mehrfach
geehrt. Als Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR bekam Dr.
Sieber 1965 die Leibnitz - Medaille verliehen. Im gleichen Jahr erhielt er
die "Ehrennadel für heimatkundliche Leistungen in Gold. Die Stadt Aue
verlieh ihm 1973 die Ehrenbürgerschaft. Fast erblindet, nahm Dr. Siegfried
Sieber bis zu seinem Ableben regen Anteil am kulturell - gesellschaftlichen
Leben seiner Heimatstadt. Am 18. Juli 1977 beendete der Tod das umfangreiche
Wirken des Wissenschaftlers.
Mit einem Ehrenmal im Auer Stadtpark auf dem Gelände des Heidelsberges ehrte
die Große Kreisstadt Aue die Persönlichkeit und das Schaffen Dr. Siegfried
Siebers. Von Ralf Petermann