"Die Erzgebirger sollten sich und ihre Region besser verkaufen"
Die Staatliche Studienakademie in Breitenbrunn, an der 600 junge Leute in den Richtungen Soziale Arbeit, Industrie und Tourismuswirtschaft immatrikuliert sind, trägt zunehmend auch der Globalisierung Rechnung. Studienbezogene Auslandspraktika sind ein Beispiel. Ein anderes: Im sechsten Theoriesemester des Bachelor- Studiengangs Tourismuswirtschaft wird das Modul "Internationales Marketing-Management" in englischer Sprache gelehrt. Die Prüfung erfolgt ebenfalls in Englisch. Zwei Wochen lang hielt Dr. Glenis Wade aus London Vorlesungen. Frank Nestler unterhielt sich mit der Dozentin über ihre Gastrolle und die dabei gewonnenen Eindrücke.
Freie Presse: Womit verdienen Sie daheim in London Ihr Geld?
Glenis Wade: Mein Spezialgebiet ist Beauty- und Spa-Management. Das lehre ich am London College of Fashion und an der University of London. Ich habe seit Jahren ein Beratungsunternehmen, gebe mein Wissen in Kursen an Privatinteressenten und Firmen weiter. Tipps zur Unternehmensgründung und zu all dem, was nötig ist, um auf dem Markt wahrgenommen zu werden und zu bestehen, gehören dazu, Hintergründe aus der Branche und natürlich immer die aktuellen Trends.
Nun kennen Sie auch ein Stück des Erzgebirges, des deutschen Weihnachtslandes. Bleibt Ihnen davon etwas in ganz besonderer Erinnerung?
Da gibt es einiges. Frau Professor Schloderer hat mich in Dresden am Flughafen abgeholt. Je weiter wir in das Erzgebirge kamen, desto schöner wurde die Landschaft . Die weihnachtlich geschmückten Orte mit den unzähligen Lichtern haben mich sehr beeindruckt. Das Erzgebirge ist einfach eine wunderbare Gegend. Hier habe ich viele gastfreundliche Leute, interessante Leute, wissbegierige Leute getroffen.
Und das Essen?
Das ist doch zu einem großen Teil international. Aber ich verstehe, was Sie meinen. Meine Gastgeber waren mit mir auch typisch erzgebirgisch essen. Ich weiß jetzt, was Schwammesupp ist, was Klöße sind. Und wie das schmeckt: Gut.
Sind Sie eigentlich zum ersten Mal im Erzgebirge gewesen?
Nicht nur das. Ich war das erste Mal überhaupt in Deutschland. Diese Lücke in meinem Leben wollte ich schon lange schließen. Nun hat sich die Gelegenheit dazu ergeben.
Wie genau ist das gelaufen?
Durch persönliche Kontakte. Bei einer Konferenz in Buxton/Derbyshire traf ich Ute Schloderer. Sie ist an der Studienakademie Breitenbrunn auch für internationale Zusammenarbeit zuständig und knüpfte gerade Kontakte mit der University of Derby. Sie fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, auch einmal nach Deutschland zu kommen und an ihrer Einrichtung einige Lehrveranstaltungen abzuhalten. Ich konnte.
Sind Sie zufrieden mit Ihren Studenten in Breitenbrunn?
Ich hoffe, dass sie zufrieden mit mir sind. Es ist mir gelungen, denke ich, Aufmerksamkeit für meine Themen zu erzeugen, neues Wissen zu vermitteln, aber auch Denkanstöße zu geben. Die Studenten hier, finde ich, sind sehr klug und offen für neue Ideen. In meinen Vorlesungen haben sie Aufgaben gemeistert, die sogar für die Englisch-Muttersprachler nicht ganz so einfach sind.
Haben sich die Vorstellungen, die Sie von Deutschland und vom Erzgebirge hatten, in der Realität als zutreffend erwiesen?
Bisher kannte ich nur das durch die Medien in England vermittelte Bild von Deutschland. Das war zu wenig, das war auch nicht immer richtig. Nach den Erfahrungen, die ich jetzt persönlich gemacht habe, ist man in Deutschland nicht so konservativ, wie ich gedacht habe. Vieles ist in Bewegung, vieles wird diskutiert, Neuem steht man aufgeschlossen gegenüber. Das Erzgebirge hat eine ganze Menge zu bieten. Das habe ich unter anderem bei einer Rundfahrt und in vielen Gesprächen erfahren. Es gibt aber oft noch eine falsche Bescheidenheit. Die Erzgebirger müssten sich in dieser Beziehung noch mehr zutrauen. Sie sollten sich und ihre Region besser verkaufen, sie sollten noch aktiver öffentlich machen, was sie haben, was sie können.
Werden Sie wieder einmal nach Breitenbrunn kommen?
Warum nicht? Hier gibt es nicht nur die interessante und schöne Aufgabe, den Studenten im sechsten Semester auf Englisch die Sicht auf die Marketing-Welt zu weiten. Die Breitenbrunner Akademie, das weiß ich jetzt, will ihre Studiengänge noch internationaler gestalten. Das könnte auch andere Dozenten von Universitäten in England interessieren. Quelle: Freie Presse, Ausgabe Schwarzenberger Zeitung, 18.01.2012