Der schlafende Riese soll endlich seine Glieder recken
Marienberg - Der Freistaat Sachsen erstellt momentan ein neues Tourismuskonzept, das auch die Förderung für das Erzgebirge bestimmen wird. Frank Hommel sprach darüber mit der Stollberger Landtags-Abgeordneten Uta Windisch. Sie ist die tourismuspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion.
Freie Presse: Im Wirtschaftsministerium wird derzeit an einer neuen Tourismuskonzeption für Sachsen gefeilt. Die ersten Entwürfe stoßen aber, wie man hört, nicht auf Ihre ungeteilte Zustimmung?
Uta Windisch: Die Kritik betrifft eine Aussage, dass man im In- und Ausland künftig nur mit den großen Zentren Dresden und Leipzig für Sachsen wirbt. Erst wenn der Gast sozusagen angebissen hat, soll er demnach auch mal in die Regionen wie das Erzgebirge kommen. Diese Sicht teile ich nicht. Im internationalen Raum ist Dresden sicher eine Marke. Aber der Tourismus in Sachsen findet seine Zielgruppen ja zu zwei Dritteln in den umliegenden Bundesländern wie Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt. Dort müssen wir das Erzgebirge selbst als starke Marke platzieren - und nicht quasi als Nebenprodukt.
Wie kann man das erreichen?
Unser Ziel beim Marketing ist ein sowohl als auch. Also durchaus mit Sachsens Magneten Leipzig und Dresden werben. Aber eben auch mit dem Erzgebirge. Wie den anderen Regionen. Sozusagen nicht das eine oder das andere. Sondern das eine und das andere.
Ein neues Tourismuskonzept - das klingt zunächst nach Gedanken, die jemand auf einem Papier niederschreibt. Oder sind konkrete Folgen denkbar?
Das steht jedenfalls nicht nur auf dem Papier. Das Konzept ist in Arbeit, der erste Entwurf hat durchaus auch Kritik geerntet und wird überarbeitet. Die Fördermittel, über die wir diese Woche im Landtag beschließen, und das Konzept korrespondieren miteinander. Wir haben uns dafür stark gemacht, dass die Regionen im Budget nicht zurückgefahren werden. Das war für mich ein erstes Anzeichen: Die Marketing-Mittel bei der Tourismus Marketing Gesellschaft Sachsen zu konzentrieren und sie dafür bei den Regionen zu kürzen. Wir konnten dagegen durchsetzen, dass das Regionalmarketing nicht gesenkt wird - und 2012 gegenüber diesem Jahr sogar noch einmal um 150.000 Euro aufgestockt wird. Leistungsstarke Marken zu etablieren, das bedeutet konzeptionellen Mehr-Aufwand. Werden zeitgleich die Fördermittel gesenkt, ist das dann eher kontraproduktiv.
Ein Handlungsbedarf im Sinn des neuen Konzeptes besteht also?
Da bin ich einhundert Prozent einverstanden mit dem, was das Wirtschaftsministerium fordert: Die Reisegebiete als wahrnehmbare Marke stärken. Da haben wir im Erzgebirge Nachholbedarf. Man hört das hier nicht so gerne. Aber vergleicht man das Erzgebirge mit anderen Mittelgebirgen, haben zum Beispiel Thüringen oder der Harz mehr Gäste. Selbst der Spessart, der gar kein so großes Gebirge ist, zählt fast so viele Übernachtungsgäste wie das Erzgebirge. Wir haben sehr viele Potenziale, die es jedoch noch zu erschließen gilt. Deshalb wird unsere Heimatregion von Tourismusfachleuten auch als "schlafender Riese" bezeichnet.
Die Reisegebiete als wahrnehmbare Marke stärken. Da haben wir im Erzgebirge Nachholbedarf.
Ist das für Sie nur eine Frage von Marketing und Werbung?
Das ist eine Frage des gemeinsamen Auftritts. Wir sind auf einem guten Weg, nach und nach diese Zersplitterung aufzuheben. Also das Westerzgebirge und das Osterzgebirge und das Obere Erzgebirge und das Mittlere Erzgebirge - und wie sie alle heißen, die auf den Tourismusmessen nebeneinanderstehen. Und jeder hat seine eigenen Produkte dabei. Auf Messen gehen, Broschüren erstellen - das soll beim Tourismusverband Erzgebirge konzentriert werden. Denn so bekommen wir auch ein durchschlagenderes Budget.
An Angeboten selbst herrscht kein Nachholbedarf?
Die Angebote sind gut. Sie müssen natürlich ständig weiterentwickelt werden. Immer dasselbe reicht nicht. Es braucht neue Attraktionen, um Gäste, die schon mal im Erzgebirge waren, für weitere Reisen zu begeistern. Ein gutes Beispiel dafür ist die Manufaktur der Träume. Das ist ganz wichtig.
Ist die Randlage des Erzgebirges im Vergleich zu Thüringer Wald oder Harz nicht ein Nachteil?
Im Gegenteil. Es ist doch gerade die große Chance des Erzgebirges, dass es ein grenzüberschreitendes Gebiet ist. Der Tourist kennt keine Verwaltungsgrenzen. Ist er in Oberwiesenthal, geht er rüber auf den Keilberg . Oder denken Sie an die grenzüberschreitende Kammloipe. Und in Tschechien gibt es zunehmend auch zahlungskräftige Leute. Diese Zielgruppe hat man bisher gar nicht so im Auge. Aber auch hier besteht Nachholbedarf: so z. bei Mitarbeitern, die auch Tschechisch sprechen und bei zweisprachigen Beschilderungen. Es kommen ja schon sehr viele Menschen aus Tschechien.
Es könnten aber immer noch mehr werden ...
Natürlich. Der Trend weist nach oben. Die bisherigen Zahlen deuten darauf hin, dass 2010 das erfolgreichste Tourismusjahr für Sachsen wird - auch fürs Erzgebirge. Aber man darf sich darauf nicht ausruhen. Quelle: Freie Presse, Ausgabe Marienberger Zeitung, 07.12.2010