Bauingenieurin meistert Job und Familie
VON KATJA LIPPMANN-WAGNER
GRÜNHAIN-BEIERFELD - "Man merkt sofort, ob ein Chef ein Familienmensch ist oder nicht", sagt Franziska Schönfelder, die seit September vorigen Jahres bei der Gesa Haus- renovierung GmbH in Grünhain beschäftigt ist. Die diplomierte Bauingenieurin habe die Erfahrung gesammelt, dass Unternehmer, die selbst Kinder haben, viel mehr Verständnis für die Belange einer berufstätigen Mutter haben.
"Das Schlimmste, was mir da passiert ist, war ein Firmenchef, der mich zum Vorstellungsgespräch einladen wollte. Als ich ihn fragte, ob es möglich sei, den Termin um eine halbe Stunde zu verschieben, war das Telefonat sofort beendet", erinnert sich die 27-Jährige. Sie hatte offensichtlich einen Fehler begangen: Schönfelder sagte eben jenem Personalchef, dass sie mit ihrer kleinen Tochter einen wichtigen Arzttermin habe, auf den sie lange warten musste und den sie nicht verschieben könne. Natürlich ärgerte sich die junge Frau über die wenig verständnisvolle Reaktion. "Doch dann habe ich mir gesagt, in einer solchen Firma möchte ich eigentlich auch gar nicht arbeiten." Bei der Gesa in Grünhain lief alles ganz anders. "Natürlich hat man mich auch hier gefragt, ob die Betreuung meiner Tochter gewährleistet ist. Als ich das bejahte, war das Thema auch schon erledigt", sagt die Schwarzenbergerin, die die Probezeit gut überstanden hat und nun zum Team gehört. Es gab keine bohrenden Nachfragen, was eventuell der Vater macht oder wie es im Krankheitsfall aussieht.
Bei der Gesa betreut Franziska Schönfelder Kunden, arbeitet Projekte aus, kalkuliert Angebote und ist in die Planungen involviert, denn die 20-köpfige Hausrenovierungs-truppe bietet alles aus einer Hand. Die Bauingenieurin muss gleich sieben Gewerke koordinieren. "Die Arbeit macht mir Spaß, sie ist sehr vielfältig", freut sich Schönfelder, die an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig studierte. Kurz bevor sie ihr Diplom in der Tasche hatte, wurde sie schwanger. Mit ihrer heute dreijährigen Tochter Neveen blieb sie zunächst zuhause. Berufserfahrung konnte sie deshalb vorerst nicht sammeln.
Nach der Elternzeit fand sie in einer Lößnitzer Baufirma einen Job. Die Freude darüber war allerdings von kurzer Dauer, denn ihr Chef erkrankte schwer und sie erhielt die Kündigung. Insgesamt verschickte sie daraufhin 15 Bewerbungen, eine ins Grünhainer Gewerbegebiet. Sehr schnell erfuhr sie, dass sie bei der Gesa in die engere Wahl gezogen wurde. "Wir suchten jemanden, der frische Ideen mitbringt und sich längerfristig an uns binden will. Dass Frau Schönfelder ein Kind hat, ist toll und für uns überhaupt kein Hindernis", sagt Marketingleiter Jan Schreier, der genau weiß, wovon er spricht. Der 30-Jährige ist erst im vergangenen September zum zweiten Mal Vater geworden. Sohnemann Erik (9) hat ein kleines Brüderchen bekommen. "Meine Frau arbeitet eigentlich in einem Architekturbüro, sie bleibt jetzt mit Arthur zwei Jahre zuhause. Für ihren Chef war das kein Problem", so Schreier.
Mit derselben Lockerheit sieht er auch die Anstellung von Franziska Schönfelder. "Klar werden kleine Kinder häufiger einmal krank. Es ist völlig normal, dass die Mutter dann nach Hause gehört", meint Schreier. Und genauso normal sei es, dass junge Mütter gern Teilzeit arbeiten. "Darauf kann man sich doch einstellen", meint der Marketingleiter. Viel wichtiger sei es, dass ein Angestellter während der Arbeitszeit vollen Einsatz für die Firma zeige. Und diesbezüglich gebe es bei der jungen Ingenieurin überhaupt keine Probleme. "Jetzt muss sie sich erst einmal einarbeiten, zukünftig aber soll sie als Projektmanagerin für uns tätig sein", erklärt Schreier und fügt ergänzend hinzu: "Junge Frauen schaffen es ohne Probleme, Kind und Beruf unter einen Hut zu bekommen." Sie seien eben Multitalente. Quelle: Freie Presse, Ausgabe Schwarzenberger Zeitung, 23.03.2011