Zwischen Chillen und Freizeitstress

10.09.2024

Zwei Jugendclubs die es schaffen, den ganzen Ort vom Sofa zu holen

Die heutige Jugend bekomme nichts mehr auf die Reihe, und früher sei sowieso alles besser gewesen. Dies wird Jugendlichen immer wieder entgegengehalten – wahrscheinlich in jeder Generation. Wir haben uns mit jungen Menschen getroffen, die zwar echt gerne chillen, aber dies in Gemeinschaft der Jugendklubs tun. Davon gibt es im Erzgebirge einige. Manche sind lauter als andere und stellen riesige Feste auf die Beine, andere sind einfach Oasen, in denen sich Jugendliche gut aufgehoben wissen.

Meistens sind die Klubs Erbstücke aus den früheren Generationen und immer auf Nachwuchssuche. Oftmals bieten sie tiefe Wurzeln, die sogar Altersgruppen weit jenseits der Jugend halten. Sie sind für die einen auch Grund, wieder in die Heimat zurückzukommen, und für andere, die neu im Erzgebirge sind, ein Ort, um sich Gleichaltrigen anzuschließen. Wir haben zwei Jugendtreffs im Erzgebirge besucht, die es schaffen, mindestens einmal im Jahr den ganzen Ort vom Sofa zu holen.

Feuer und Flamme sieben Tage die Woche – Jugendclub Frohnau e.V.

Urlaubsgäste, Schulklassen, Fachleute: Am Frohnauer Hammer ist immer viel los. Schräg gegenüber, versteckt hinter ein paar Hecken und Bäumen, hat der Jugendclub Frohnau e.V. sein Domizil. Trubel herrscht dort selten – dafür eine chillige Atmosphäre, in der sich Jugendliche zwischen 15 und 41 Jahren wohlfühlen. Jugendlich? Ist in dem Fall keine Frage des Alters, sondern des Gefühls.

Frohnau ist ein Ortsteil von Annaberg-Buchholz . Früher ein kleines Dorf für sich, kommen heute die Mitglieder des Vereins auch aus dem Umland. Täglich ab 19 Uhr öffnen sich die Türen zum Klub. Es ist ein Ort mit Historie. Einst ein Schwarzbau der Wismut (Anm.d.Red.: Die Wismut war einer der größten Uranproduzenten der Welt mit mehreren Betriebsstätten im Erzgebirge), zog nach der Wende ein Jugendklub ein. Die „aktuelle“ Jugendtruppe sanierte das Haus dann eigenhändig nach ihren Vorstellungen.

Am Feuer wird bequatscht, was man in den nächsten Monaten auf die Beine stellen will. Hauptsächlich geht es um das große Feuerwehrfest, das die jungen Leute unterstützen werden. Feuer können die Frohnauer Jugendlichen übrigens richtig gut. Sie sind Ausrichter des jährlichen Höhenfeuers am 30. April, das im Erzgebirge auch Hexenfeuer genannt wird. Sie selbst sagen, es sei das spektakulärste Feuer der Region. Eines der letzten, das unter dem Motto UNESCO Welterbe stand, lockte zum Beispiel 1.000 Leute an.

Die Verbundenheit zur Heimat und zur Bergbauhistorie zeigt sich deutlich im Logo. Wichtig ist den jungen Leuten, nicht nur für sich zu sein, sondern den Menschen der Region etwas zu geben. Das tun sie, indem täglich die Türen offen für Interessierte sind. Alle stehen parat, wenn in Frohnau helfende Hände gesucht werden, um ein Stück mehr Gemeinschaft zu schaffen.


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Einmal Börnschen United – Immer United

So groß wie ein Fußballfeld ist das Zelt, unter dem einmal im Jahr die Börnichener Erde bebt. Knapp 1.000 Seelen zählt das Dorf, mehr als 1.500 Sitzplätze fasst das Zelt. Wenn der Jugendklub „Börnschen United“ zum Oktoberfest ruft, schallt das bis nach Berlin und lockt Gäste aus der Metropole an, denn die Party hat längst Kultstatus.

52 aktive Mitglieder füllen den Verein mit Leben. In der Aufbauwoche vorm Fest kommen etwa 120 freiwillige Helferinnen und Helfer dazu. Das bedarf viel Abstimmungsarbeit für unzählige Handgriffe, wenn auch nach 13 Jahren Erfahrung einiges gute, eingespielte Routine ist. Beim ersten Mal, 2010, vergnügten sich 50 Gäste bei Brezeln, Bier und Musik – inzwischen sind es um die 3.000.

Um Girlanden und Lampen aufzuhängen, braucht es viel Fingerspitzengefühl und keine Angst vor großer Technik. Sich ernst genommen fühlen, Gemeinschaft erfahren und Wurzeln bekommen: Der Jugendklub ist für viele ein zweites Zuhause. Auch später, nach dem Ausflug aus dem dörflichen Nest, ist er ein guter Grund, wieder in die Heimat zurückzukehren.

Der Grill läuft heiß, damit die große „Vereinsfamilie“ satt wird. Gegrillt wird auch sonst gern, wenn man sich übers Jahr im Klubheim oder beim Beachvolleyball trifft.

Martin Liebsch ist Gründungsmitglied des Klubs. Das war 2008. Heute lebt und arbeitet er als Investmanager in Dresden. Für die Tage des Aufbaus nimmt er Urlaub . Einmal Börnschen United, immer united. Schließlich kennt man sich seit der Grundschule.

Der Verein lebt von Generationen, die nachrücken. Wie man die Jüngsten begeistert, wissen die „alten Hasen“: So wachsen viele der Dorfkinder ganz selbstverständlich mit in den Verein hinein.

TIPP: Auch 2025 ist wieder Oktoberfest – zumindest in Börnichen.

Das Zelt steht, der Kranz hängt auch. Kurzes Verschnaufen, denn die Zeit läuft, bis sich am Wochenende unter ihm die Röcke der Dirndl drehen.



Text: Sabine Schulze-Schwarz, Manja Kraus-Blechschmidt
Fotos: Dirk Rückschloss