16.05.2023
Ökologische Landwirtschaft im Landgut Hartmann in Drebach
Idylle pur. Die Holunderbeeren hängen in dicken Trauben am Strauch. Darunter liegt gerade Baloo, der weiße Pyrenäenberghund der Familie. Leonberger Varus und Jack Russell Terrier Karlie kommen angesaust. Jeder Gast wird hier gebührend mit Kuscheleinheiten durch die beiden begrüßt. Im Hintergrund schnattern die Gänse. Die Familie, also Hofchef René Hartmann, seine Frau Christina, Tochter Anne und Schwiegersohn Sven Förster kommen aus unterschiedlichen Türen auf den gemütlichen Innenhof. Die Tiere haben ihre Morgenmahlzeit erhalten. Die Enten und Gänse, die Masthühner und die Hühner, die zum Eierlegen gehalten werden, die Sattelschweine und die drei Pferde . Die Schafe raspeln im Garten den Rasen kurz, die 25 Mutterkühe und ihre Kälbchen – alles rote und schwarze deutsche Angusrinder – stehen noch auf der Weide. Die Morgenrunde ist erledigt. Jetzt ist Zeit für eine Interviewpause.
Momente des entspannten Hoflebens
In der Sonne sitzen wir entspannt gemeinsam in der kleinen Sitzecke. Varus und Karlie kuscheln weiter – während des gesamten Gesprächs. Wir unterhalten uns ausgelassen, reden über die Geschichte des Hofs. Der gehörte Christinas Familie und vor 21 Jahren kam der gelernte Landmaschinenschlosser René dazu, Tochter Anne wurde geboren.
Man ist immer draußen an der frischen Luft und arbeitet mit der Technik. Es gibt nichts Besseres. Und ich möchte weiter Biolebensmittel herstellen.
Gemeinsam wurde dem alten Hof wieder Leben eingehaucht. René schaut seine Frau Christina an und schmunzelt: „Ein großer Glücksfall, den du da hattest.“ 45 Hektar groß ist die Fläche des Hofs, die als Bioland zertifiziert ist. Auch für die Haltung ihrer Kühe hat die Familie das Biozeichen erhalten. Die Hälfte ihrer Flächen ist Grünland. Hier wird das Grundfutter für die Tiere selbst produziert: Heu, Silage, Weideflächen. Auf 17 Hektar bauen die Hartmanns Getreide an – z. B. Winterweizen, Hafer und Roggen, vermarktet wird all das über Partner aus der Region. Auf 8 Hektar wird Klee für die Kühe angebaut. Auf eine gesunde Fruchtfolge zu achten, ist für die Hartmanns selbstverständlich.
Generationsübergreifende Leidenschaft
Das Land ist ihr Schatz. Rund um die Uhr hüten ihn die Hartmanns, pflegen die Flächen und die Tiere. Diese Leidenschaft ist auch an Tochter Anne übergegangen. Die 21-Jährige studiert zurzeit im 7. Semester an der Universität Kassel „Ökologische Agrarwissenschaften“. In den Semesterpausen dazwischen ist sie immer zu Hause auf dem Hof, unterstützt ihren Papa René. Der 57-Jährige kann sich – zumindest, wenn es um die Unternehmensnachfolge geht – beruhigt zurücklehnen.
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Die Schwierigkeiten heute im Alltag – die Extreme der Natur , die Trockenheit der letzten Jahre – zaubern dem Hofbesitzer aber immer wieder Sorgenfalten auf die Stirn: Bekommt man genügend Winterfutter rein, werden die Tiere satt? Tochter Anne wirkt zuversichtlich. Schon während des Interviews übernimmt sie das Wort, redet über ihre Ziele hier auf dem Hof. Sie will die Flächen weiter ausbauen, natürlich auch weiterhin keine Chemie auf den Äckern einsetzen, den Viehbestand erhöhen und eben auch die Vermarktung verbessern. Ihr Traum ist es, alte Nutztierrassen – z. B. Schweine – auf dem Hof anzusiedeln. Und die Studentin möchte künftig auch andere junge Menschen vom Beruf des Landwirtes begeistern, Ausbildungsbetrieb werden. „Man ist immer draußen an der frischen Luft und arbeitet mit der Technik. Es gibt nichts Besseres. Und ich möchte weiter Biolebensmittel herstellen. Zukunftsmusik ist eine eigene Fleischerei.“
Vom Schlachter in die heimische Ladentheke
Fest geplant ist, dass sie nach ihrem Studium im Erzgebirge in einem Veterinäramt arbeiten möchte und zusammen mit ihrem Freund Sven den Hof der Familie weiterführt. Genau diese Konstellation – einer ist in Lohn und Brot, der andere arbeitet ausschließlich auf dem Hof, das hat sich schon bei ihren Eltern als Wirtschaftsmodell bewährt. Und weil die Nachfolge gesichert ist, investiert René Hartmann auch regelmäßig weiter in seinen Hof, baut Ställe, kauft Traktoren und Anbaugeräte. Im letzten Jahr z. B. wurden ein neuer Radlader und ein größerer Traktor erworben. Die Investition in eine moderne Sämaschine ist ebenso geplant wie ein überdachter Auslauf für die Rinder. Wenn alles gut läuft, will die Familie auch die Rinderzahl erhöhen. Wie gesagt, deutsche Angusrinder in Rot und Schwarz: Mutterkühe und Fleischrinderrassen.
Geschlachtet werden die Tiere bei der Hausschlachtung Seitz im benachbarten Herold. Es ist einer der wenigen EU-zertifizierten Schlachthöfe in der Region. Hier wird das Fleisch nicht nur geschlachtet, sondern auch zu Wurst verarbeitet und für den Handel vorbereitet – also vakuumiert. Verkauft werden die Produkte dann wieder im heimischen Drebach. Nicht auf dem eigenen Hof, sondern bei einem Partnerunternehmen – der kleinen Handelskette Frassgusch, in der Lebensmittel ausschließlich aus der Region vermarktet werden.
Ich genieße es, dass ich jeden Tag mit meinem Vieh zusammenarbeiten kann und dass unsere Tiere hier so artgerecht leben dürfen.
Nun wird aber langsam die Pause zu lang, die Arbeit ruft wie so oft auf dem Hof. Anne geht wieder zurück zu ihrer Kälberaufzucht, die Männer verschwinden mit den Traktoren. Anne dreht sich noch einmal um und strahlt. Landwirtin zu sein, ist eben ihr Traumberuf. Sie genießt, „dass ich jeden Tag mit meinem Vieh zusammenarbeiten kann und dass unsere Tiere hier so artgerecht leben dürfen.“ Auf dem Biolandgut Hartmann im erzgebirgischen Drebach.
Text: Manja Kraus-Blechschmidt
Fotos: Erik Wagler