Rings ist jeder Raum erhellt

10.12.2024

Wie Erzgebirgische Lichterhäuser in einer kleinen und feinen Manufaktur in Olbernhau entstehen

Die Augen strahlen, wenn die kleinen und großen Besucherinnen und Besucher des Stadtmuseums Olbernhau den Raum mit den mechanischen Bergen im Dachgeschoss betreten. Hier reihen sich Bergwerke an Erzgebirgslandschaften im Sommer- und Winterkleid und verzaubern die Gäste. Und hier standen auch Susan Uhlig und ihr Bruder als Kinder oft und bestaunten die vielen Einzelheiten der leuchtenden Miniaturwelten. Wer hätte damals gedacht, dass Susan heute mit der Manufaktur Erzgebirgische Lichterhäuser das gleiche Strahlen in tausende Kinderaugen zaubert. Doch der Reihe nach.

Lichterhäuser sind mehr als nur eine festliche Dekoration. Sie bringen ein Stück Weihnachten direkt in die Wohnungen. Mit ihren liebevoll herausgearbeiteten Details wecken sie Neugier und ziehen die Betrachter in ihren Bann. In akribischer Handarbeit entstehen diese Miniaturen traditionell aus Pappe. Lichterhäuser aus Olbernhau haben eine lange Tradition. Bereits im Jahr 1900 wurden die ersten Modelle gefertigt.

Fast 100 Jahre später, im Jahre 1998, ist es Birgit Uhlig, die Mutter von Susan, die die Geschichte weiterschreibt. Sie gründet die Firma Erzgebirgische Lichterhäuser. Ihr Mann Uwe und zwei Mitarbeiterinnen helfen ihr dabei. Im Bach-Bauerngut in Olbernhau entstehen Werkstatt und Büro, die Firma entwickelt sich, wird in der Region und auch darüber hinaus bekannt. Die Anzahl der Hausmodelle wächst – auch dank des unverzagten Tüftlertalentes ihres Ehemannes. Bald werden die zwei Räume zu klein. Im Jahre 2000 zieht dann die Manufaktur in die Töpfergasse. Im Erdgeschoss des historischen Gebäudes sind Werkstatt, Büro und Musterzimmer untergebracht. 

Häuser aus Pappe sind nicht von Pappe

Die Lichterhäuser erfreuen sich großer Beliebtheit. Das Musterzimmer ist das ganze Jahr in weihnachtlichen Glanz getaucht. Der Glasglimmer-Schnee auf den Dächern funkelt. Hier können die verschiedenen Lichterhäuser in Augenschein genommen werden. Sehenswürdigkeiten, wie die Seiffener Kirche, die Wehrkirche in Großrückerswalde oder die Dresdner Frauenkirche, stehen neben einfacheren Objekten wie einem Forsthaus, einem typischen Erzgebirgshaus oder einem Hexenhäuschen. Letzteres ist eine Entwicklung von Tochter Susan, die auch immer wieder in der Werkstatt zugange ist, obwohl sich ihr Lebensmittelpunkt inzwischen nach Dresden verschoben hat.

Von einer, die auszog ...

„Nach dem Abitur wollte ich erstmal das, was die meisten meiner Generation wollten: einfach weg“, erinnert sich Susan Uhlig. „Im Erzgebirge sahen wir wenig Entwicklungschancen. Der Wirtschaft ging es nicht gut. Von blühenden Landschaften war wenig zu sehen.“ Um dennoch nicht allzu weit von Zuhause entfernt zu sein, absolviert Susan in Freital eine Ausbildung als gestaltungstechnische Assistentin und beginnt danach an der Technischen Universität Dresden ein Studium der Landschaftsarchitektur. Mehr und mehr prägt Computerarbeit den Alltag. Doch die junge Frau möchte lieber etwas mit den Händen tun. Und so wechselt sie vom Hörsaal in ein Dresdner Eiscafé. Susan bleibt und wird zur guten Seele des Cafés. Und so vergehen die Jahre. Susan und ihr Sohn leben in Dresden. Ihre Eltern in Olbernhau. Immer öfter kommt die Frage auf, was denn aus den Erzgebirgischen Lichterhäusern wird, wenn die Gründerin in den Ruhestand geht.

Unsere Lichterhäuser gehören zur Heimat dazu.

„Ich war immer wieder in Olbernhau und dann natürlich auch in der Werkstatt“, erzählt Susan Uhlig. „Die Lichterhäuser gehören ja zu unserer Familie. Es wäre schade, wenn die Firma einfach eingestellt werden würde.“ Einen Impuls gibt es schließlich in der Coronazeit. Das Dresdner Café pausiert pandemiebedingt. Susan ist häufiger im Erzgebirge. Und sie findet Gefallen an dem Gedanken, das Gewerbe ihrer Mutter zu übernehmen. Im Sommer 2023 vollziehen sie die Übergabe. „Ich wage jetzt den Schritt zurück ins Gebirge“, lächelt die frisch gebackene Unternehmerin. „Die Arbeit in der Werkstatt hat mir schon immer Spaß gemacht. Und in das andere wachse ich gerade rein.“ Schon seit geraumer Zeit haben auch moderne Technologien Einzug in die Manufaktur gehalten. „Laserschneider und 3D-Drucker helfen uns, schneller und flexibler zu werden – besonders bei Routinearbeiten und der Modellentwicklung, aber sie können die Handarbeit nicht ersetzen.“ Einen halben Tag braucht man für die rund 100 Arbeitsschritte bei der Montage eines durchschnittlichen Lichterhauses.

Aus Tradition wird wieder Heimat

„Ich beobachte, dass bei vielen meiner Altersgenossen das Heimatgefühl wieder zunimmt“, bestätigt Susan Uhlig. „Bei mir ist es ja genauso. Auch junge Leute legen verstärkt Wert auf ihre regionale Identität. Unsere Lichterhäuser gehören zur Heimat dazu.“ Inzwischen umfasst das Sortiment der Firma über 40 Modelle. Sie schlummern in den Schachteln und Kartons, den Bögen von Spitzenpapier und Prägepappen, bis sie zum Leben erweckt werden. Immer mehr Menschen wollen auch diese Atmosphäre erleben und kommen in die Werkstatt, bevor sie ein Lichterhaus kaufen. Es gibt auch Stammkunden, die jedes Jahr die Firma besuchen. Die Häuser werden über den Einzelhandel und im Internet verkauft. Auch in den USA und in Japan haben die kleinen Kunstwerke schon Liebhaber gefunden.

Text: Steffen Wollmerstädt

Fotos: Anna Werner


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